„Es war wie eine Hinrichtung“

„Es war wie eine Hinrichtung“
(AFP/Laura Buckman)

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Bei einem Protestmarsch in Dallas haben Unbekannte fünf Polizisten erschossen. Ein Augenzeuge berichtet Details von der blutigen Tat.

„Es war das komplette Chaos.“ Cory Hughes ist in der Menge, die am Donnerstagabend in Dallas gegen Polizeigewalt demonstriert, als plötzlich Schüsse fallen. Die Schüsse „kamen von irgendwo“, „wir dachten, die schießen auf uns“, berichtet der Mann dem Fernsehsender CNN. Unter den Demonstranten bricht Panik aus, doch die Heckenschützen haben es auf die Sicherheitskräfte abgesehen: mindestens fünf Polizisten sterben, sechs weitere werden verletzt. Zwei von ihnen schweben am Freitag noch in Lebensgefahr. Auch ein Zivilist wird getroffen.

Unter dem Motto Black Lives Matter (Das Leben von Schwarzen zählt) waren hunderte Menschen in der texanischen Metropole auf die Straße gegangen. „Da waren Schwarze, Weiße, Latinos, alle“, sagt Hughes. „Das war eine gemischte Gemeinde, die protestierte.“ Doch was friedlich begann, schlug jäh in blanke Gewalt um. Von erhöhten Positionen aus hätten zwei Schützen das Feuer eröffnet, sagt Polizeichef David Brown in der Nacht zu Freitag.

„Es war wie eine Hinrichtung“

US-Medien zeigen Bilder eines der mutmaßlichen Schützen, der Mann trägt eine helle Hose und hält ein Gewehr. Dann nimmt er die Waffe in Anschlag und feuert. „Das ist er, da, neben der weißen Säule, seht, er schießt nach links, nach rechts, woanders hin, man sieht, wie er auf jemanden zielt“, beschreibt Ismael DeJesus, der aus einem Hotel heraus die Szene filmte. CNN veröffentlicht auch seine Bilder. Dann habe sich der Mann umgedreht, um sicherzustellen, dass niemand hinter ihm sei, berichtet DeJesus.

„Aber da kam ein Polizist, der ihn fassen wollte, aber das ist schlimm geendet. Es war wie eine Hinrichtung, ehrlich. Obwohl er (der Polizist) schon am Boden lag, hat der Mann noch drei oder vier Mal auf ihn geschossen“, sagt der Augenzeuge weiter. Auf einem anderen Video sind Schüsse zu hören, ein Zeuge ruft: „Oh mein Gott, das ist jemand, der bis auf die Zähne bewaffnet ist! Und er ist nicht allein.“

Stofftaschen in Tarnfarben

In weiteren Aufnahmen, die auf Twitter gepostet wurden, berichtet ein Zeuge von Menschen, die auf der Straße liegen. „Ich hoffe, sie verstecken sich nur.“ Die Polizei nimmt drei Verdächtige fest, darunter eine Frau. Zwei Männer werden gefasst, nachdem in ihrem Auto Stofftaschen in Tarnfarben gefunden wurden. Ein weiterer Mann stellt sich selbst, nachdem ein Fahndungsfoto von ihm veröffentlicht wurde. Er kommt wenig später wieder auf freien Fuß. Möglicherweise seien aber noch nicht alle Verdächtigen gefasst, warnt Polizeichef Brown.

Ein mutmaßlicher Heckenschütze verschanzt sich in einem Parkhaus und liefert sich Schusswechsel mit Elitesicherheitskräften. Sie verhandeln stundenlang mit dem Verdächtigen, der angibt, er habe „überall“ im Parkhaus und in der Innenstadt Bomben gelegt. Erst nach Stunden melden Medien, der Mann sei tot. Ob er getötet wurde oder sich selbst tötete, ist zunächst unklar.

Mehrere Einheiten der Polizei durchsuchen derweil das Zentrum von Dallas nach Sprengsätzen. Der Einsatz werde dauern, sagt Polizeivertreter Max Geron. Der Luftraum über Dallas ist gesperrt – mit Ausnahme von Rettungsflügen. Der öffentliche Nahverkehr wird unterbrochen. Vor dem Krankenhaus, in das die getöteten Kollegen gebracht wurden, haben sich Polizisten aufgestellt, die Hand feierlich zum Gruß erhoben oder auf’s Herz gelegt.

Was als Protest gegen tödliche Gewalt aus ihren Reihen begann, endete in einer blutigen und blinden Abrechnung mit den Sicherheitskräften. Für den „bösartigen, kalkulierten und verabscheuungswürdigen Angriff“ gebe es „keine Rechtfertigung“, sagt US-Präsident Barack Obama im fernen Warschau.