Erste Galileo-Satelliten starten am Donnerstag

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Extrem genau soll das neue System sein, und es soll Europas Selbstbewusstsein aufpolieren: Das europäische Navigationssystem Galileo. Am Donnerstag starten die beiden ersten Satelliten.

Jahre hinter dem ursprünglichen Zeitplan geht es nun endlich los: Am Donnerstag um 12.34 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit sollen die ersten beiden Satelliten für das europäische Satellitennavigationssystem Galileo vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana starten. Eine Sojus-Rakete wird sie in den Weltraum bringen – es ist der erste Start einer russischen Rakete in Kourou, der ein neues Kapitel in der internationalen Raumfahrt markiert.

Das ebenso ehrgeizige und wie umstrittene Galileo-System soll die europäische Eigenständigkeit unterstreichen und die Vormacht des US-amerikanischen GPS (Global Positioning System) brechen. Galileo soll viel präziser arbeiten und weltweit metergenaue Positionsbestimmungen möglich machen, bei GPS sind es etwa zehn Meter. Trotz der Konkurrenz: Die Nutzer sollen Signale von Galileo oder GPS empfangen und gar nicht merken, welches sie gerade leitet.

Präziser als GPS

Einsatzszenarien für das Prestigeprojekt von EU und Europäischer Weltraumorganisation (ESA) gibt es zu Lande, zu Wasser und in der Luft, für die Landwirtschaft, die Bauindustrie und auch für Behörden. Fahnder können die Daten bei der Verbrecherjagd nutzen, Bauingenieure beim Einmessen von Gebäuden, Landwirte beim Verteilen von Dünger. Flüge sollen pünktlicher und sicherer werden: Durch präzisere Anflüge könnten Verspätungen, Umleitungen oder Stornierungen – etwa wegen Unwetters – reduziert und dabei sogar noch Treibstoff gespart werden.

Wenn 2014 nach den Plänen insgesamt 18 Satelliten in mehr als 23 000 Kilometern Höhe um die Erde kreisen, sollen die ersten drei Dienste starten: ein kostenloser für die Allgemeinheit, ein Such- und Rettungsdienst und ein verschlüsselter Dienst für hoheitliche Sicherheitsaufgaben. Zwei weitere Dienste sollen hinzukommen, wenn alle geplanten 30 Satelliten im All sind.

4,8 Milliarden Euro

Schon vor dem Start haben explodierende Kosten und Verzögerungen im Zeitplan die Begeisterung getrübt. Anstatt der ursprünglich geplanten 3,4 Milliarden Euro soll der Aufbau nach jüngsten Zahlen der EU-Kommission nun 4,8 Milliarden Euro kosten, Betriebskosten allerdings nicht eingerechnet. Insider hatten freilich von Anfang an höhere Kosten erwartet.

Sobald die beiden ersten von der EADS-Tochter Astrium gebauten Satelliten im All sind, übernimmt das Galileo-Kontrollzentrum beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen bei München deren Steuerung. Mit einem weiteren Zentrum im italienischen Fucino, das sich primär um die Produktion der Navigationssignale kümmert, wird es die Satelliten rund um die Uhr betreuen.

Start in Kourou

In Kourou laufen die Vorbereitungen für den Start. Nach einer Pannenserie mit Sojus hatte Russland Anfang Oktober erfolgreich einen Satelliten für das eigene Navigationssystem Glonass ins All gebracht. Zuvor war im August ein Versorgungsraumschiff abgestürzt, im vergangenen Dezember fielen drei Glonass-Satelliten nach dem Start in den Pazifik. Ein solcher Unfall würde Galileo weit zurückwerfen.

Ursprünglich sollte das System 2008 in Betrieb gehen. Mittlerweile liefert das russische Glonass schon weltweit Daten. Für das „Kompass“ (Beidou) genannte chinesische System sind ein halbes Dutzend Satelliten im All; es soll zunächst für Asien den Dienst aufnehmen.

Simulation

Für Galileo laufen inzwischen Tests auf Hochtouren. Zwei Satelliten strahlen Testsignale aus. Parallel dazu gibt es Testgebiete. Nur in Berchtesgaden simulieren – weltweit einzigartig – acht terrestrische Sendestationen auf umliegenden Bergen Galileo-Signale realistisch; in der von der Firma IFEN GmbH betriebene „Galileo Test- und Entwicklungsumgebung“ (GATE) wird nun an neuen Anwendungen und Dienstleistungen getüftelt, Empfangsgeräte werden ausprobiert. Forschungseinrichtungen sind ebenso engagiert wie Firmen. „Es ist wie ein großes Freiluftlabor“, sagt der Leiter des Gate-Kundenbetriebs Elmar Wittmann.

Getestet wurde etwa ein neues Verschütteten-Suchsystem für Lawinenopfer, die per Satellit geortet würden. Es könnte die Suche mit herkömmlichen Geräten ersetzen, die von den Kameraden einige Übung und Kenntnisse erfordert. Ausprobiert wurde auch ein Leitsystem für Hubschrauber-Rettungen bei sehr schlechter Sicht, wie der Leiter des Gate-Kundenbetriebs Elmar Wittmann berichtet. „Mit Galileo können durch präzise Navigation – zum Beispiel nach Naturkatastrophen – Leben gerettet werden, indem sich Einsätze genauer und schneller koordinieren und durchführen lassen“, sagte DLR-Vorstandschef Johann-Dietrich Wörner im Februar zum Start der Testregion.