Erdogans AKP verliert Alleinherrschaft

Erdogans AKP verliert Alleinherrschaft
(AFP/Ozan Kose)

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Seit mehr als zwölf Jahren ist die AKP an der Macht, nun hat sie bei der Parlamentswahl ihre absolute Mehrheit verloren. Der Türkei droht eine ungewisse politische Zukunft.

Nach dem Verlust der absoluten Mehrheit bei der Parlamentswahl in der Türkei steht die islamisch-konservative AKP vor einer schwierigen Regierungsbildung (Link). Nach vorläufigen inoffiziellen Ergebnissen kam die AKP auf rund 41 Prozent der Stimmen – nach knapp 50 Prozent vor vier Jahren. Die Wähler erteilten damit auch dem Ziel der AKP eine Absage, eine Verfassungsänderung und ein Präsidialsystem mit Präsident Recep Tayyip Erdogan an der Spitze auf den Weg zu bringen. Die AKP kann nun versuchen, eine Minderheitsregierung bilden oder einen Koalitionspartner zu finden. Sollte eine Regierungsbildung scheitern, kann Präsident Erdogan Neuwahlen ausrufen.

Bei der Wahl am Sonntag übersprang die pro-kurdische HDP mit rund 13 Prozent der Stimmen erstmals die Zehn-Prozent-Hürde. Das Ergebnis ist eine Niederlage für Erdogan, der die HDP im Wahlkampf scharf angegriffen hatte, obwohl der Präsident nach der Verfassung zur Neutralität verpflichtet ist. Die HDP war mit dem Ziel in den Wahlkampf gezogen, Erdogans Präsidialsystem zu verhindern, und hatte vor einer „Diktatur“ gewarnt.

An zweiter Stelle lag die Mitte-Links Partei CHP (rund 25 Prozent), die ihr Ergebnis von 2011 fast halten konnte. Die ultrarechte MHP legte deutlich zu und kam mit gut 16 Prozent auf den dritten Rang. Die Wahlbeteiligung lag bei 84 Prozent.

„Überwältigender Sieg“

Der Ko-Chef der HDP, Selahattin Demirtas, bezeichnete den Einzug seiner Partei als „überwältigender Sieg“. Er sagte in Istanbul: „In der Türkei sind die Diskussionen um das Präsidialsystem und die Diktatur beendet.“ Die HDP werde ihre Wähler nicht enttäuschen. In der südosttürkischen Kurdenmetropole Diyarbakir strömten Tausende HDP-Anhänger auf die Straße und feierten ihre Partei.

Die von Erdogan mitgegründete Partei AKP kam nach Auszählung fast aller Stimmen auf weniger als 260 Parlamentssitze – als Ziel hatte sie 330 angegeben. Das wäre die erforderliche Mehrheit gewesen, um ein Referendum über eine Verfassungsreform zur Einführung eines Präsidialsystems abzuhalten. Der Chef der AKP, Ministerpräsident Ahmet Davutoglu, rief seine Anhänger am Sonntagabend dennoch dazu auf, „die Arbeiten für eine neue Verfassung zu beginnen“.

„Sieger“ AKP

Bei seiner Rede auf dem Balkon der AKP-Zentrale in Ankara ging Davutoglu nicht auf die massiven Stimmenverluste ein. Er betonte stattdessen, die AKP sei auch aus dieser Wahl „als Sieger hervorgegangen“. Unter dem Jubel der AKP-Anhänger rief er: „Wir haben uns nie gebeugt und werden uns nie beugen.“

Weder die AKP noch Erdogan hatten erklärt, wie ein Präsidialsystem aussehen sollte. Bislang ist der Ministerpräsident Regierungschef. Die Parlamentswahl war die erste seit dem Amtsantritt von Präsident Erdogan im vergangenen August. Erdogan war davor Ministerpräsident.

56,6 Millionen Türken waren zur Wahl aufgerufen: 53,7 Millionen in der Türkei und 2,9 Millionen im Ausland.

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