Ende der Staatskrise in Belgien in Sicht

Ende der Staatskrise in Belgien in Sicht
(AP)

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Erst der Druck der Finanzmärkte machte es möglich: Nach eineinhalb Jahren ist in Belgien eine neue Regierung zum Greifen nahe. Nächste Woche soll die Koalition stehen.

In Belgien rückt ein Ende der fast eineinhalb Jahre andauernden politischen Krise näher. Schon Anfang Dezember soll eine neue Regierung aus Sozialisten, Christdemokraten und Liberalen aus beiden Landesteilen (Flandern und Wallonie) stehen.

Sechs Parteien einigten sich am Samstag in einem 17 Stunden langen Verhandlungsmarathon auf milliardenschwere Einschnitte im Haushalt 2012 bis 2014 sowie Strukturreformen. Damit sind die wesentlichen Streitpunkte aus dem Weg geräumt. König Albert II. beauftragte den designierten Premierminister Elio Di Rupo am Samstag damit, „so rasch wie möglich“ eine neue Regierung zu bilden. Belgien ist seit Juni 2010 ohne gewählte Regierung – ein Weltrekord.

Koalition in der kommenden Woche

Auf die Frage, wann das Land eine Regierung haben werde, sagte Di Rupo am Sonntag: „Ich hoffe, im Lauf der nächsten Woche.“ Er benötige noch ein paar Tage, um die letzten offenen Fragen zu klären. Mit der Etat-Einigung sei eine „entscheidende Etappe“ geschafft.

Die Regierungsbildung könnte in der nächsten Tagen geschehen, sagte auch die sozialistische Vizepremierministerin Laurette Onkelinx am Samstagabend. Am Verhandlungstisch sitzen neben den Sozialisten auch Liberale und Christdemokraten aus beiden Teilen des Landes – dies sind Flandern und die Wallonie. Sie gelten als die künftigen Koalitionspartner.

Flämische Nationalisten nicht dabei

Nicht beteiligt sind die flämischen Nationalisten der Partei N-VA, die bei den Wahlen vom Juni unter Führung von Bart De Wever zur stärksten politischen Kraft des Landes geworden waren. De Wever, der einen eigenen Staat Flandern fordert, hatte als Verhandlungsführer mögliche Kompromisse mehrfach blockiert.

Die Einigung sehe Reformen am Arbeitsmarkt und bei den Renten vor, teilte Di Rupo mit. Das Budget erfüllt nach seinen Worten die Anforderungen der Europäischen Union: „Der Haushaltsplan wird das Defizit 2012 auf 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts drücken“, sagte der frankophone Sozialdemokrat Di Rupo. Erlaubt sind in der EU drei Prozent. 2015 soll der Haushalt nach den Plänen ausgeglichen sein. Dazu sollen auch höhere Steuern auf Aktiengeschäfte und eine Sonderabgabe für hohe Einkommen beitragen.

Belgiens Kreditwürdigkeit herabgestuft

Erst unter dem Druck der Finanzmärkte waren die tagelang unterbrochenen Gespräche über das Budget am Freitagabend wieder gestartet. Die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) hatte die Kreditwürdigkeit Belgiens um eine Note gesenkt und dies unter anderem mit dem politischen Stillstand begründet. Seit Sommer 2010 verwaltet der zuvor zurückgetretene Premierminister Yves Leterme die Regierungsgeschäfte, doch wichtige Reformen konnten nicht angegangen werden.

König Albert II. ließ in einer Stellungnahme des Palastes erklären, er sei über die Einigung sehr erfreut. „Nun hat der König den Verhandlungsführer gebeten, so schnell wie möglich eine Regierung zu bilden.“

Ende der Krise in Sicht

Seit September ist der wichtigste Streitpunkt vom Tisch: Damals war eine Einigung auf eine umfassende Staatsreform gelungen, in deren Mittelpunkt das Wahlrecht im Umland von Brüssel stand. Der Sprachenstreit zerreißt seit Jahren das Land und hatte zum Sturz der Regierung geführt.

Albert II. hatte schon vor Monaten Di Rupo mit der Suche nach einer Regierungsmehrheit beauftragt. Seine Mission gestaltete sich schwierig, mehrfach warf er das Handtuch – auch, um den Druck für eine Einigung zu erhöhen.

Kritik und Erleichterung in Belgien

Nach der Einigung machte sich im ganzen Land Erleichterung breit. König Albert II. ließ in einer Stellungnahme des Palastes erklären, er sei über die Einigung erfreut. Der ständige EU-Ratspräsident, der Belgier Herman Van Rompuy, schrieb auf Twitter: „Das ist der Weg, um Vertrauen wiederherzustellen.“

Kritik kam aus dem politischen Lager der N-VA. Ihr Vorsitzender De Wever nannte das Sparpaket mit Steuererhöhungen „desaströs“. Auch Grüne und Gewerkschaften bemängelten den Kompromiss. Die Gewerkschaften haben für Freitag (2. Dezember) bereits Proteste gegen das Sparpaket angekündigt.