Emily O’Reilly neue EU-Bürger-Beauftragte

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Wo kann man sich über die EU beschweren? Hier, beim EU-Bürgerbeauftragten: Bisher kannten ihn nur wenige. Aber das könnte sich bald ändern.

Der Europäische Bürgerbeauftragte untersucht Beschwerden über Missstände in den Organen und Einrichtungen der Europäischen Union. Bürger eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder Leute die ihren Wohnsitz in der EU haben, haben die Möglichkeit eine Beschwerde bei ihm einreichen. Auch Unternehmen, Vereinigungen oder sonstige Einrichtungen können sich an den EU-Ombudsman wenden.

Nikiforos Diamandouros hört am 1. Oktober auf. (dpa)

Zu einem Prominenten der Europäischen Union ist Nikiforos Diamandouros (71) in den zehn Jahren seines bisherigen Wirkens nicht geworden. Der zurückhaltende Politikwissenschaftler aus Griechenland, bisher Bürgerbeauftragter oder Ombudsman der EU, verlässt seinen Posten knapp ein Jahr vor dem Ende der offiziellen Amtszeit. Er hat ganz einfach genug. Aber es sieht so aus, als sei es bald mit der Stille in der knapp 70 Beamte zählenden Behörde vorbei. Denn am 1. Oktober kommt Emily O’Reilly.

Die 56 Jahre alte Irin, vom Pressesprecher des früheren irischen Regierungschefs Charles Haughey mit dem ihr immer noch anhängenden Spitznamen „der blonde Ehrgeiz“ belegt, hatte schon vor der Wahl durch die Abgeordneten des Europaparlaments aus ihren Ambitionen keinen Hehl gemacht. „Unter meiner Führung wird das Amt sichtbarer und wichtiger werden“, kündigte sie an. „Ich werde das Amt auf ein neues Niveau führen, wenn es sich zu einem noch mächtigeren Wächter der Rechte der EU-Bürger entwickelt“, ließ sie die Abgeordneten vollmundig per Videobotschaft wissen.

Bürgerbeauftragte in Irland

Dass O’Reilly in Irland bekannt ist, liegt nicht nur daran, dass sie in den vergangenen zehn Jahren die Bürgerbeauftragte des Landes war – und eine sehr erfolgreiche und angesehene noch dazu. Zuvor war sie eine der prominentesten Journalistinnen auf der grünen Insel gewesen – Reporterin, Politikchefin bei Zeitungen, Radiomoderatorin, Buchautorin.

Sie sei damals in der Medienbranche als „zu gebieterisch, zu gut bezahlt, zu gut aussehend und zu erfolgreich“ betrachtet worden, schrieb die Zeitung „Business Post“. Dort hatte O’Reilly einst auch gearbeitet – und dort wurde sie wegen ihres bestimmenden Auftretens „die Herzogin“ genannt. Sie sei aber „fraglos eine der besten Journalistinnen ihrer Generation“ gewesen, erinnert man sich.

Liberale Positionen

Die in einer katholischen Schule groß gewordene O’Reilly vertrat später in heißen irischen Streitfragen wie Scheidung, Empfängnisverhütung und Abtreibung liberale Positionen. Und mit einem Buch über die Vordenker der Rechten („Masterminds Of The Right“), in dem es um konservative katholische Netzwerke in der irischen Politik ging, machte sie sich manche Feinde.

O’Reillys Freunde meinen, die öffentliche Kritik an Ehrgeiz und Selbstbewusstsein der Bürgerbeauftragten habe möglicherweise vor allem damit zu tun, dass sie eine zielstrebige und effiziente Frau sei, die Männern Angst machen könne. Tatsächlich habe die Mutter von vier Töchtern und einem Sohn in ihrem Job ausgezeichnete Arbeit geleistet. „Sie ist mutig im besten Sinne des Wortes“, ließ sich Jura-Professor Donncha O’Connell aus Galway zitieren. O’Reilly selbst, die in Irland die männliche Berufsbezeichnung Ombudsman führte, sagt: „Ich habe erfolgreich mit Energie, Hingabe und Kreativität ein unabhängiges Amt geleitet.“

370000 an Kosten

In Brüssel übernimmt sie einen Posten, der mit einem Grundgehalt von 240 000 Euro pro Jahr ausgestattet ist – mit Zulagen und anderen Zahlungen kostet sie den Steuerzahler 370 000 Euro. Zuständig ist sie für Beschwerden über die Arbeit der EU-Institutionen, nicht über die Anwendung von EU-Recht durch nationale Stellen. Im vergangenen Jahr gingen bei ihrem Vorgänger Diamandouros 2442 Beschwerden ein, von denen nur 740 in seine Zuständigkeit fielen. Von 390 abgeschlossenen Untersuchungen kam man bei knapp 200 zum Ergebnis, weitere Untersuchungen seien nicht gerechtfertigt. In 76 Fällen fand der Ombudsmann keine Missstände. In 80 Fällen lenkte die Verwaltung ein und 56 Fälle wurden als „Missstände in der Verwaltung“ klassifiziert.

Vor allem beim Zugang zu Daten und Informationen hat Diamandouros in den vergangenen zahn Jahren für die Bürger manche Bresche in Mauern des Schweigens geschlagen, mit denen sich EU-Behörden gelegentlich umgeben. Sie werde sich mit „knackigen Themen“ befassen, weil die EU im täglichen Leben der Bürger eine immer größere Rolle spiele, kündigte O’Reilly an. Manchen Bürokraten mag das schon wie eine Drohung geklungen haben.