/ Eine Transitsteuer für Lastwagen
In der Nacht zum Freitag hat die Pariser Nationalversammlung ein ein Jahr lang dauerndes Drama um eine Lastwagensteuer beendet, das nie ein Drama hätte werden müssen. Als Ökostreuer konzipiert, kommt sie nun als Transitsteuer. Als Steuer für Ausländer gedacht – und so europäisch nicht durchsetzbar – kommt sie nun für alle. Für ein Straßennetz von 15.000 Kilometern geplant, wird sie nun auf 4.000 Kilometer begrenzt. Auf Einnahmen von über einer Milliarde Euro ausgerichtet, bringt sie nun 500 Millionen. Letztlich: Auf Einnahmen ausgerichtet, kostet das Drama den französischen Staat nun über eine Milliarde Euro, davon Anerkennung von Schulden in Höhe von 850 Millionen.
Die Transitsteuer bezieht sich in ihrer neuen Form auf die Straßen, für die es bisher keine Gebühr gibt. Das heißt: Die Autobahn 31 von der luxemburgischen Grenze bis hin zur Zahlstelle Gye hinter Nancy wird zur bezahlten Autobahn für Lastwagen. Nicht anders die Nationalstraße 4 von Lothringen nach Paris, die parallel zur Autobahn verläuft und bisher als preiswerter Ausweich-Weg von den Lastwagen benutzt wurde. Britische Transporteure, die bisher die kostenlose Autobahn von Caen nach Rennes und Nantes, und damit von der Kanalküste zur Atlantikküste, müssen zukünftig bezahlen. Nicht anders im Südwesten Frankreichs, wo die Nationalstraße 10 der preiswerte Weg nach Spanien über Biarritz ist. Auch hier müssen Lastwagen zukünftig bezahlen.
Luxemburg bleibt kostenloses Transitland
Die französische Entscheidung macht Luxemburg zu einem doppelten Paradies. Luxemburg ist und bleibt der bisherigen Politik zufolge kostenloses Transitland zwischen zwei Ländern, die eine Wegesteuer für Lastwagen haben. Die Umgehung der Stadt Luxemburg wirkt wie ein riesiger Verteilerring in europäische Regionen: einerseits nach Belgien und in die Niederlande, andererseits an das Mittelmeer und drittens Richtung Schweiz, Österreich, Italien und die zentraleuropäischen Staaten. Dieser Verteilerring kostet mangels politischen Mutes der luxemburgischen Politik weiterhin nichts. Paradies bleibt Luxemburg auch im Hinblick auf die Dieselpreise. Das macht aus der Aire der Berchem die größte Tankstelle Europas.
Warum aber ist die Transitsteuer in Frankreich zu einem Drama geworden?
Zu Zeiten des Staatpräsidenten Nicolas Sarkozy haben sowohl die bürgerlichen Kräfte wie auch die Sozialisten gemeinsam eine Ökosteuer für Lastwagen beschlossen, die den Lastwagenverkehr behindern und die Fracht auf die Schiene bringen sollte. Die bürgerliche Regierung unter Ministerpräsident François Fillon entschied sich für ein Modell, wie es in Deutschland und in Italien praktiziert wird. Gegründet wurde das Unternehmen Ecomouv in Metz.
Wer steht hinter Ecomouv?
Das Kapital der Firma liegt zu 70 Prozent in den Händen der italienischen Gesellschaft Autostrade, den Rest teilen sich so unterschiedliche französische Unternehmen wie die französischen Eisenbahnen SNCF oder das Mobilfunkunternehmen SFR, das nun der luxemburgischen Gesellschaft Numericable gehört. Ecomouv überzog das französische Straßennetz wie vereinbart über 15.000 Kilometer mit Radarsäulen und mit Metallbrücken, die jeden Lastwagen registrieren. Mit der Garantie der Regierung im Rücken finanzierten europäische Banken um die 700 Millionen Euro Infrastruktur-Investitionen.
Als das System nach zweijähriger Verzögerung im vergangenen Herbst in Kraft treten sollte, protestierten die Bretonen, deren Straßen traditionell ohne Gebühren zu benutzen sind. Die Einführung einer Straßensteuer führte zu einem Aufstand der Bretonen, der den damaligen Premierminister Ayrault veranlasste, die Erhebung der Steuer auszusetzen. Seitdem herrscht Ratlosigkeit bei 130 Zöllnern, die zur Kontrolle in Metz stationiert waren. Ecomouv beendete Zeitverträge für über 100 Mitarbeiter und stoppte Neu-Einstellungen.
Lücke im Maut-System geschlossen
Die neue Umweltministerin Ségolène Royal, in deren Ressort der Verkehr fällt, suchte neue Lösungen. Sie wollte nur ausländische Lastwagen besteuern, weil die nichts zum Staatshaushalt Frankreichs beitrügen. Eine Lösung, die den Forderungen der bayrischen CSU entspricht, die aber in Europa nicht durchzusetzen ist, weil sie europäischem Recht widerspricht. Die Transitlösung schließt eine Lücke im französischen Maut-System für Lastwagen.
Die Sozialisten in der Pariser Nationalversammlung protestierten dagegen, dass eine private Gesellschaft Steuern erheben und dafür bezahlt werden sollte. Eine umfangreiche Untersuchung einer Kommission des Senates ergab, dass die Verträge korrekt sind und gegen das System nicht einzuwenden sei.
Nach dem Abflauen des Sturmes haben die französische Regierung und Ecomouv nun einen Vergleich geschlossen. Frankreich erkennt an, dass es gegenüber Ecomouv 850 Millionen Euro Schulden hat und Ecomouv selbst mit 230 Millionen entschädigt werden muss.
Premierminister Manuel Valls wiederum
wollte nicht ausschließen, dass sich Frankreich nun am Kapital des Unternehmens beteiligt, damit die Korrektheit des Verfahrens gewährleistet ist.
Das Zurückweichen vor den bretonischen Demonstranten hat Frankreich viel gekostet: eine Milliarde Einnahmen, die nicht wie geplant in die Infrastruktur des Landes investiert werden können, die Halbierung der Einnahmen und nun Schulden, denen keine Einnahme gegenüber stehen. Die Bretonen aber sind immer noch nicht zufrieden. Die Autobahn Caen-Rennes-Nantes führt durch die Bretagne, in der Straßengebühren eben nicht akzeptiert werden.
(Helmut Wyrwich/Tageblatt.lu)
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