Eine Debatte für die Geschichtsbücher

Eine Debatte für die Geschichtsbücher
(Jean-Claude Ernst)

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Die anstehende Parlamentswoche könnte als historisch in die Geschichtsbücher eingehen. Es geht unter anderem um den Artuso-Bericht über die Judenverfolgung in Luxemburg.

Das sensible Thema war den Abgeordneten so wichtig, dass in der zuständigen Kommission während mehreren Sitzungen an einem Resolutionstext gefeilt wurde, in der das Leid der jüdischen Gemeinschaft unter der Besatzungszeit durch die Nazis anerkannt und bedauert wird.

Das Parlament entschuldigt sich in der Resolution, die zumindest in der Kommission einstimmig angenommen wurde, formell bei der jüdischen Gemeinschaft für das Fehlverhalten von Teilen der zivilen Verwaltungskommission.

Kollaborationsfreudig

Diese war nach Kriegsausbruch und dem Exil der Regierung im Mai 1940 vom Parlament eingesetzt worden. In Ermangelung klarer Richtlinien zeigten sich einzelne ihrer Vertreter als allzu kollaborationsfreudig (Link) gegenüber der Besatzungsmacht.

Fehlerhaftes Verhalten, das unter die Verantwortung der luxemburgischen Autoritäten falle und für das man sich entschuldigt, wie es in dem Resolutionstext heißt. Notiert wird mit Genugtuung in dem Resolutionstext, dass es laut dem Artuso-Bericht keine offizielle Kollaboration der Exilregierung mit der Besatzungsmacht gab.

Analyse

Der zweite Teil der Sitzung am Dienstag ist einer Debatte über das Ergebnis des Referendums (Link) vom 7. Juni vorbehalten. Mit dem zweitägigen, zeitlichen Abstand dürften sich die Gemüter hoffentlich etwas beruhigt haben, um zu einer reflektierten Analyse der Referendumsergebnisse zu kommen.

Vor allem die CSV-Exponenten hatten in ihren ersten Statements am Sonntagabend mit dem Ruf nach politischen und personellen Konsequenzen gezeigt, dass sie das Prinzip der direkten Demokratie im Zusammenspiel mit Regierung und Parlament irgendwie noch nicht richtig verstanden haben. Oder nicht verstehen wollen.

Debatte

Immerhin hatte die gleiche Partei sich auch vor dem Referendum nicht klar dazu bekannt, das Ergebnis zu respektieren. Gedankengänge, auf die in dem gerne ins Fenster gestellten Referendumsmusterland Schweiz nun wirklich niemand auch nur im Traum käme, ansonsten dort alle paar Monate Neuwahlen anstünden.

Nach einem sitzungsfreien Mittwoch stellt am Donnerstag Außenminister Jean Asselborn (LSAP) die Schwerpunkte der luxemburgischen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Semester 2015 vor. Angeschlossen an die Erklärung des Ministers ist eine allgemeine Debatte.

Insofern ein parlamentarisches Novum als sich die Parlamentarier bislang immer eine Denkpause aushielten und politische Erklärungen eines Ministers nie „à chaud“ und spontan in der gleichen Sitzung diskutierten.
Man darf demnach gespannt sein.

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