Ein Volksfest für Putin

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(dpa)

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Mit einem Volksfest lässt Präsidentenkandidat Putin im früheren Stalingrad um Stimmen werben. Doch auch in der russischen Provinz rund 1000 Kilometer vom Kreml entfernt werden kritische Töne lauter.

Witze über Wladimir Putin kann Jelena Alexandrowna überhaupt nicht leiden. Mit eisigem Blick schaut die 54-Jährige zwei Mädchen nach, die sich lauthals über den Präsidentenkandidaten lustig machen. „Ihr habt doch keine Ahnung“, ruft die Hausfrau den „frechen Gören“ hinterher. Mit zwei Freundinnen steht sie an diesem windig-kalten Tag im Schneematsch auf der Friedensstraße im Zentrum von Wolgograd, dem früheren Stalingrad.

Vor den drei Damen hüpfen auf einer Bühne in den russischen Nationalfarben weiß-blau-rot zwei Moderatoren umher. Offiziell ist es ein normales Volksfest. Doch tatsächlich ist die Feier mit Tee- und Suppenständen eine einzige Wahlwerbung für Putin wenige Tage vor der Präsidentenwahl an diesem Sonntag. „Großes Land – starker Führer“ steht auf der Bühne, ein Wahlspruch des 59-Jährigen.

Hitzige Debatten

„Wir brauchen Stabilität“, sagt Jelena Alexandrowna. „Und die gibt es nur mit Putin.“ Es ist das immer gleiche Argument, das auch der Regierungschef selbst bemüht, wenn er bei seinen Auftritten in ganz Russland vor neuem Chaos wie in den 1990er Jahren warnt. Bei Jelena Alexandrowna und ihren Freundinnen scheint die Botschaft zu fruchten. Doch allzu viele Menschen sind nicht gekommen. „Wählen? Das ändert doch eh nichts“, sagt eine junge Mutter im Vorbeigehen. Dann zerrt sie ihre kleine Tochter hastig weiter.

Bei der Parlamentswahl im Dezember 2011 lag Putins Partei in Wolgograd – trotz angeblicher Fälschungen – mit 42 Prozent der Stimmen unter dem offiziellen landesweiten Ergebnis. „Ihre Stimme brauche ich für den Sieg“ steht nun auf Putin-Plakaten in der ganzen Stadt. Werbung seiner vier Gegenkandidaten gibt es kaum. Auf der Hauptstraße, die noch immer Lenin-Prospekt heißt, fällt ein einsames Plakat des milliardenschweren Bewerbers Michail Prochorow kaum auf. Achtlos stapft auch Ingenieur Maxim daran vorbei. „Prochorow? Der ist vom Kreml gesteuert“, schimpft er. „Da wähle ich doch eher Sjuganow.“

Rote Fahnen

Mit den Stimmen von Valentina und ihrem Mann Sergej kann Gennadi Sjuganow, Kandidat der Kommunistischen Partei, auf jeden Fall rechnen. Mit ein paar Dutzend Gleichgesinnten – meistens Ältere – schwenkt das Rentnerpaar auf der Heldenallee vor dem Ewigen Feuer rote Fahnen mit Hammer und Sichel. Wütend sei sie auf Putin, schimpft Valentina. „Der ist seit zwölf Jahren an der Macht und noch immer haben wir nur Korruption und Bürokratie.“ Bedächtig nickend stimmt Sergej seiner aufgebrachten Ehefrau zu. 20 Prozent haben die Kommunisten bei der Parlamentswahl in Wolgograd bekommen, zweiter Platz. Nun hofft Valentina auf eine Stichwahl Sjuganow gegen Putin.

Auch Anhänger der liberalen Partei Jabloko sind bei der Kundgebung dabei. Ihr Kandidat Grigori Jawlinski ist nicht zur Wahl zugelassen worden, nun wollen sie eine Rückkehr Putins in den Kreml verhindern. Wer gewinnt, ist ihnen egal. „Eins, zwei, drei – mit Putin ist’s vorbei“, rufen sie im Stakkato. Hier kann Studentin Lisa endlich ein paar Bändchen im Weiß der Oppositionsbewegung verteilen. „Für saubere Wahlen“, steht darauf – das Motto der neuen Massenbewegung, die vor allem in Moskau und St. Petersburg punktet.

Wachsender Druck

In Wolgograd hingegen, Schauplatz blutiger Kämpfe im Zweiten Weltkrieg und rund 1.000 Kilometer südlich von Moskau, wird Lisa ihre Bändchen nur selten los. „Oft wollen die Leute nichts damit zu tun haben, auch wenn sie gegen Putin sind“, erzählt die 20-Jährige und lächelt schüchtern. „Sie haben Angst, dass sie Ärger mit ihrem Arbeitgeber bekommen.“ Immer wieder gibt es Berichte über Druck auf Angestellte, nicht nur in Staatsunternehmen, sie sollten mit ihrer Unterschrift Putin unterstützen.

Auf der Putin-Bühne versucht derweil das Moderatorenduo mit sich überschlagenenden Stimmen, den Zuschauern bei Temperaturen um den Gefrierpunkt einzuheizen. Doch in die Menge aus Familien und Rentnern kommt erst ein wenig Bewegung, als der prominente Schlagersänger Alexander Rosenbaum auftritt. Obwohl Wolgograd etwa eine Million Einwohner hat, finden nationale Stars eher selten den Weg in die „Provinz“, wie es viele hier nennen.

Benedikt von Imhoff/dpa/Tageblatt.lu