„Ein Unentschieden“

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Beeinflusst das große TV-Duell zwischen Präsident Sarkozy und Herausforderer Hollande die Wahl der Franzosen am Sonntag? Die Spannung wächst. Unterschiedlich sind die Reaktionen in den ausländischen Medien.

Nach dem TV-Duell zwischen Nicolas Sarkozy und François Hollande werden heute erste Analysen der Stimmung in Frankreich vor der entscheidenden Runde der Präsidentenwahl am Sonntag erwartet. Anhänger von Präsident Sarkozy hoffen, dass dieser mit einer überzeugenden Vorstellung doch noch einen Stimmungsumschwung auslösen könnte. Im Lager des Sozialisten herrscht hingegen Gelassenheit. Es sei unwahrscheinlich, dass Sarkozy infolge des TV-Duells einen Rückstand von rund sieben Prozentpunkten aufholt, hieß es. Meinungsforscher hatten Hollande am Mittwoch bei 53,5 bis 54 Prozent gesehen, Sarkozy bei nur 46 bis 46,5 Prozent. Etliche Wähler sind noch unentschlossen.

Das erste und einzige direkte Duell der Präsidentschaftskandidaten war von Anfang an durch einen offensiven Ton geprägt. Der 57-jährige Sarkozy versuchte mit Angriffen auf das Zahlenwerk im Wahlprogramm seines gleichaltrigen Kontrahenten zu punkten. Hollande dagegen konterte mit Hinweisen auf die Regierungsbilanz des um eine zweite Amtszeit kämpfenden Staatschefs – und die hohen Arbeitslosenzahlen.

„Sie suchen Sündenböcke“

„Sie suchen permanent Sündenböcke, es ist nie Ihre Schuld“, betonte er, als Sarkozy auf die Krise verwies. Dieser warf Hollande hingegen vor, sich nicht am erfolgreichen Modell Deutschland orientieren zu wollen. „Wettbewerbsfähigkeit ist das Schlüsselwort“, sagte Sarkozy. „Glauben Sie wirklich, dass Sie mir alles sagen können?“, empörte sich Hollande, als er der Lüge bezichtigt wurde.

Die Pläne der Wahlkämpfer zum Abbau des französischen Budgetdefizits standen im Zentrum der von Millionen Franzosen verfolgten Debatte. Beide bezogen sich in ihren Reden mehrfach auf Deutschland und dessen wirtschaftliche Bilanz. In der Europa-Politik hielt der Sozialist seinem Kontrahenten mit Blick auf Frankreichs wichtigsten Partner Deutschland vor: „Sie haben sich nicht gut gehalten, Sie haben nichts erhalten)!“

Vorbild Deuschtland?

Hollande will unter anderem Spitzenverdiener deutlich höher belasten, projektbezogene Eurobonds einführen und die Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) ausweiten, um das Wachstum anzukurbeln. „Selbst von der deutschen Seite gibt es dazu schon eine neue Geisteshaltung“, behauptete er.

Sarkozy, der erneut Eurobonds ablehnte, plant nach deutschem Vorbild die Verankerung einer Schuldenbremse in der Verfassung. Hollande will unter anderem den Fiskalpakt neu verhandeln und bis Ende 2012 die französischen Truppen aus Afghanistan abziehen. Sarkozy hält beide Vorschläge für unverantwortlich.

In der zweiten Runde der französischen Präsidentenwahl sind rund 46 Millionen Franzosen aufgerufen, das Staatsoberhaupt für die kommenden fünf Jahre zu wählen. Sollte Hollande gewinnen, käme 17 Jahre nach dem Ende der Amtszeit von François Mitterrand erstmals wieder ein Sozialist an die Macht.

Nach dem TV-Duell sehen Frankreichs Medien am Donnerstag in ersten Bilanzen mehrheitlich keinen klaren Sieger. Der Tenor lautete: „Es war eine sehr angespannte und sehr technische Debatte“ («Le Parisien»). Mit Blick auf die Schärfe des Tons der beiden Kandidaten war von einem „gnadenlosen Duell“ die Rede.

„Neue Zürcher Zeitung“: Sarkozy wirkte kompetenter

Die „Neue Zürcher Zeitung“ aus der Schweiz kommentierte am Donnerstag das TV-Duell Sarkozy – Hollande folgendermaßen:
„Die Fernsehdebatte am Mittwochabend hat hohe Erwartungen erfüllt. Während nahezu dreier Stunden kreuzten der Staatspräsident und der Herausforderer der sozialistischen Partei, François Hollande, im Fernsehstudio die Klingen. Ausrutscher und klare Fehler blieben aus. Aber Sarkozy wirkte kompetenter, erfahrener und verteidigte seine Amtszeit brillant. Man sah einen anfänglich sehr gefasst und selbstsicher wirkenden Hollande, der sich – falls am Sonntag gewählt – als Präsident der Gerechtigkeit und des Aufschwungs positionierte. In Umfragen vor der Debatte lag der sozialistische Herausforderer mit 53 bis 54 Prozent der Stimmen klar vorne. Weiter zugelegt hat Hollande aber mit Sicherheit nicht. Ob Sarkozy den Rückstand stark abbauen konnte, wird sich am Sonntag zeigen.“

„Die Presse“: Sarkozy ist unerträglich und trotzdem die bessere Wahl

Die konservative Tageszeitung „Die Presse“ aus Wien schreibt am Donnerstag über den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und seinen Herausforderer: „Die Wahl am Sonntag ist ein Referendum über Sarkozy. Und das ist dessen größtes Handicap. Denn es spricht vieles gegen ihn, aber nur wenig für seinen Herausforderer. Hollande hat kaum etwas anzubieten außer eine verkorkste Karriere voller Niederlagen und einen eklatanten Mangel an Regierungserfahrung. Sein größtes Verdienst ist es, nicht Sarkozy zu sein. Mit eigenständigen Ideen oder gar einer Vision für Frankreich ist er bisher nicht aufgefallen. (…)

Sarkozys Narzissmus, seine Bling-Bling-Attitüden und seine hohle Prinzipienlosigkeit sind schwer auszuhalten. Die ausländerfeindliche Pose, mit der er im Wahlkampffinish im rechtsextremen Lager der Frustrierten punkten wollte, war einfach nur widerlich. Und doch wäre der Gaullist die bessere Wahl für Frankreich. Denn er verdrängt, anders als sein Konkurrent, zumindest die wirtschaftliche Realität seines Landes nicht.“

„Le Monde“: Ein Unentschieden

Dem Pariser „Le Monde“ zufolge ging das Fernsehduell am Mittwochabend mit unentschieden aus. Hollande sei als Favorit gestartet und er bleibe es, so die Leitartiklerin Françoise Fresson. Ob die Debatte die Unentschiedenen überzeugen konnte, sei unklar. Zwar sei die Diskussion insgesamt sehr technisch gewesen, habe sich Hollande zu keinem Zeitpunkt von Sarkozy dominieren lassen.