/ Ein toxischer Katalysator namens Trump

(©marian kamensky / toonpool.com)
Am Anfang wurde er in seiner Partei belächelt. Er spuckte ihr ins Gesicht und setzte sich durch. Dann wurde er von Clintons Camp durch den Kakao gezogen – und lieferte Hillary bis zum Schluss eine nie gesehene Schlacht um die Gunst der Amerikaner. Dieser Artikel wurde am 8. November 2016 veröffentlicht.
Besonders perfide: Trump muss die Wahlen nicht gewinnen, um dem Land seinen hoch toxischen Stempel aufzudrücken. Dies ist längst geschehen. Die USA kennen seit ihren Gründungstagen Rassismus und populistische Politiker, konnten sich jedoch immer auf ihre liberalen und offenen Kräfte verlassen.
Die Partei des kleinen Mannes
Die Trump’sche Ideologie ist jedoch die direkte Reaktion auf Globalisierungs- und Identitätsängste, die von vielen Demokraten überhört werden, und Ausdruck einer fälschlicherweise überwunden geglaubten Fremdenfeindlichkeit.
Der Höhepunkt dieser absurden Entwicklung: Trump ist es gelungen, aus den Republikanern die Partei des kleinen Mannes zu machen. Die Republikaner als Arbeiterpartei lässt einen trotz des Ernstes der Lage schmunzeln.
Ein bauernschlauer Multimilliardär
Trump hat Barack Obamas „Change“- und „Yes we can“-Politik als Geisel genommen und sie sich schließlich dreist zu eigen gemacht, indem er sie ad absurdum führte.
Ein bauernschlauer Multimilliardär erklärt den Armen, dass sie vom System übers Ohr gehauen werden, das ihn reich gemacht hat. Die Ironie, aber auch die zugrunde liegenden Ängste der Trump-Unterstützer, sprechen für sich.
Der Millionär und Betrüger
Er, der Millionär und Betrüger, wird zur Stimme einer heterogenen Wählerschicht. Neben die rassistischen Hassprediger gesellen sich Arme, vom Staat Ignorierte und auch Republikaner, die sich tatsächlich mit einigen Inhalten von Trump identifizieren können.
Dies reicht teilweise so weit, dass sich verschiedene Partei-Hardliner darüber freuen, dass jemand die Frage der illegalen Immigration endlich auf die Agenda gesetzt hat.
Trumps politische Phrasen
Genau hierin liegt das Toxische von Trump: Seine Unterstützer stören sich nicht daran, dass seine Ideen offen rassistisch und größtenteils nicht durchdacht sind. Das Wichtige ist, dass sie vom System, das sie selbst so laut kritisieren, artikuliert werden.
Bis auf einige Floskeln sind Trumps politische Phrasen nicht reflektiert. Selbst die Inhalte seiner Berater, die er gelegentlich gezwungen vom Teleprompter abliest, spielen keine Rolle in seiner Welt.
Anti-Establishment-Rhetorik
Es ist gerade diese breite Fläche, auf die so ziemlich jeder von rechts bis rechtsextrem aufspringen kann. Er bietet ihnen eine Plattform für Frust und Hate Speech.
Das Perverse: Durch seine Anti-Establishment-Rhetorik gelingt es ihm, auch die vom Sozialstaat vernachlässigten Wählerschichten zu erreichen. Diese Menschen würden den Wahlsieg von Clinton mit Sicherheit nicht schulterzuckend zur Kenntnis nehmen.
Hirngespinste ernst genommen
Es stellt sich daher die Frage, wie sich die extremsten Gruppierungen verhalten werden. In verschiedenen Landesteilen gibt es bereits Milizen, die sich für einen Sieg von Hillary wappnen.
Sie trainieren im Stile der Navy Seals und sind durch und durch paranoid. Für sie wirken Trumps Aussagen wie eine Bestätigung ihrer bislang gesellschaftlich inakzeptablen Ansichten und Lebensweisen. Ihre Hirngespinste werden ernst genommen.
Damit hat Trump bereits gesiegt.
Wirres Gerede
Er wirkt mit seinem wirren Gerede ebenfalls wie ein Katalysator für verschiedene weiße Wählerschichten, die sich angesichts der demografischen Entwicklung der USA zunehmend wie eine Minderheit fühlen – dabei jedoch ignorieren, dass ihr Land nicht ohne Zuwanderung funktionieren würde.
All dies ist in der Welt von Trump egal. Komplexe Probleme werden mit kindisch einfachen „Lösungen“ umgangen. Nicht gelöst. Er hat mit dieser Methode zudem das ohnehin polarisierte Mediensystem gesprengt.
Medienaufmerksamkeit und -reflexe
Er nutzte die Medienaufmerksamkeit und -reflexe zu seinen eigenen Gunsten aus, um all diese Menschen zu erreichen und zu ihrem Sprachrohr zu werden. Wer in den USA einen Fernsehsender einschaltet, kann live beobachten, wie Trumps Gift die Wut im Journalismus entfesselt hat.
Aus sportlichen Debatten werden zornige Hahnenkämpfe, in denen oft nur die Lautstärke und Sprüche zählen. Die Inhalte sind nebensächlich. Jeder Trump-Unterstützer kann seinen Spin platzieren, von Problemen ablenken und sich sogar als Opfer inszenieren, wenn Journalisten nachhaken oder ganz einfach darauf hinweisen, dass eine Frage nicht beantwortet wurde.
Latino-Bashing
Allerdings hat Trumps Katalysatoreffekt zum Glück nicht nur toxische Wirkungen. Durch sein rücksichtsloses und widerwärtiges Latino-Bashing scheint es ihm unfreiwillig gelungen zu sein, diesen schlafenden Giganten geweckt zu haben.
Bei den letzten Wahlen hofften die Demokraten bereits auf diese wichtige Wählerschicht. Sie wurden zwar nicht enttäuscht, doch viele „Hispanics“ schritten ganz einfach nicht zur Wahl. Ihr Einfluss war schließlich weniger stark als erhofft.
Wahlzettel in die Hand genommen
Trumps Demagogie zwingt sie nun quasi dazu, den Wahlzettel in die Hand zu nehmen. Allerdings ist diese Form des Wählens nicht mit positiven Gefühlen verbunden, weshalb die Frage bleibt, ob die lateinamerikanischen Wählerschichten eine Protestwahl veranstalten oder ob sie sich tatsächlich ihres nationalen Einflusses bewusst werden und ihre Rechte wahrnehmen.
Ähnliche Fragen lassen sich mit Blick auf die Afroamerikaner stellen, die größtenteils von den Obama-Jahren enttäuscht sein dürften. Genau diese Wut könnte am Ende sogar dafür verantwortlich sein, dass sich Obama-Wähler dieses Mal enthalten – oder gar für Trump stimmen.
Mitt Romney oder Paul Ryan
Sie fühlen sich hinsichtlich der Verbesserung ihrer Rechte von den Demokraten verlassen, deren Spitzenkandidatin für sie genauso nach Establishment riecht wie ein Mitt Romney oder Paul Ryan. Genau in diese Kerbe hat Trump in den letzten Monaten immer wieder geschlagen.
Der von ihm geschürte Hass und das dadurch entstandene politische Klima werden noch Jahre nach dieser Wahl ihren Effekt entfalten. Rechtsextreme und andere stumpfe Geister sind bereits dabei, sich diese Stimmung zunutze zu machen.
Und die Republikaner?
Lediglich die Republikaner dürften nicht von der Gelegenheit profitieren, sich zu reformieren: Der Trump’sche Katalysator lässt sie lediglich in noch radikalere Gefilde abdriften – mit oder ohne Wahlsieg.
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