Ein Regierungschef auf Abwegen

Ein Regierungschef auf Abwegen
(Francisco Seco)

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Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban sieht in den gegenwärtigen Flüchtlingsbewegungen eine verräterische Verschwörung der Linken und der Menschenrechtler am Werk.

„Es ist kein Zufall, dass täglich Tausende Migranten nach Europa angeliefert werden“, sagte der rechtskonservative Politiker am Freitag auf einer Konferenz im Italienischen Kulturinstitut in Budapest. „Man will eine bewusste Konstruktion verwirklichen, die man linksgerichtet nennen kann. Man will die europäischen Nationalstaaten irrelevant machen.“

„Wenn wir uns nicht für Europa einsetzen“, appellierte Orban an seine Zuhörerschaft, „dann wird der Kontinent nicht mehr das Europa der hier lebenden Bürger sein, sondern die wirren Träume einiger großer Geldmänner, transnationaler Aktivisten und von niemandem gewählter Funktionäre verwirklichen.“

„Verschwörung“ und „Verrat“

Bereits am Morgen hatte Orban in seinem regelmäßigen freitäglichen Interview im Staatsrundfunk den US-Milliardär und Philanthropen George Soros für die Flüchtlingsströme mit verantwortlich gemacht: „Diese Invasion (von Migranten) wird einerseits vom Schlepper-Business gelenkt, andererseits von jenen (Menschenrechts-)Aktivisten, die alles unterstützen, was die Nationalstaaten schwächt.“

Hinter den Menschenrechtlern stünde wiederum Soros. Dessen Open Society Foundation (OSF) unterstützt von Budapest aus auch Aktivisten, die den von den Transitstaaten oft alleingelassenen Flüchtlingen helfen. In seiner Ansprache im Italienischen Kulturinstitut ging Orban noch weiter. „Gegen diese Verschwörung, gegen diesen Verrat müssen wir uns an die Demokratie und ans Volk wenden“, sagte er.

„Die Zeichen der Zeit“

Anlass der Ansprache war die Präsentation einer aus Orbans Umfeld stammenden Programmschrift mit dem Titel „Die Zeichen der Zeit“. Das Papier könne „mit Recht den Anspruch darauf erheben, in den nächsten zehn Jahren als Kompassnadel für die – hoffentlich rechtsgerichteten – Regierungen (in Europa) zu dienen“, meinte Orban.

Ungarn war bis Mitte des Monats eines der Transitländer für die Flüchtlinge auf der Balkanroute. Seitdem auf Weisung Orbans Zäune an den Grenzen zu Serbien und Kroatien stehen, ziehen die Migranten an Ungarn vorbei. Orban hatte bereits zuvor eine scharfe fremdenfeindliche Kampagne gefahren. Die Soros-Stiftung OSF hatte die Hass-Rhetorik der Budapester Regierung und die Abschottung der Grenzen für Flüchtlinge mehrfach kritisiert.

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