/ Ein Brite als Winzerberater an der Mosel

(Tageblatt/Didier Sylvestre)
Andrew Kilian ist viel in der Welt herumgekommen. Er kennt verschiedene Kulturen und ist unkonventionell. Das „Mr. Kilian“ ist ihm eher unangenehm. Ein lockeres „Andy“ spricht ihn weitaus eher an.
Privatwinzer
Die „Organisation professionelle des vignerons indépendants“ (OPVI) besteht seit 1966. Es war damals die politische Antwort des Berufsstands auf die Tatsache, dass sie praktisch keine Vertretung auf nationaler Ebene hatten.
Aktuell gehören der OPVI nach eigenen Angaben 49 Privatwinzer an. Das sind Winzerbetriebe, die eigene Weinberge haben, sie selbst bewirtschaften und den Wein selbst keltern und im Direktvertrieb selbst vermarkten. Weitere 60 Winzer liefern nach Verbandsangaben Trauben zu. Seit der Gründung der OPVI haben die Betriebe ihre Betriebsgröße im Durchschnitt verdoppelt. „Man kann heute nicht mehr von zwei Hektar leben“, sagt der aktuelle Verbandspräsident, Erny Schumacher. Er managt seit 15 Jahren die Berufsvereinigung.
1996 hat der OPVI zum ersten Mal einen Berater für die Mitglieder fest eingestellt. Der erste war ein Franzose aus der Champagne, der zweite ein Deutscher und nun ist es Andrew Kilian.
Und beim Thema „England“ präzisiert der Zusatz „gebürtig“ schnell, dass er eigentlich woanders aufgewachsen ist. Wegen des Berufs des Vaters zog die Familie nach Südafrika. Dort gibt es sehr viel Wein. Als Lesehelfer während der Schulferien auf dem Weingut eines Freundes lernt Kilian den Weinbau kennen. Aus Europa kommt nach der Schule das Angebot, in Deutschland eine Sektkellerei mit aufzubauen. Er nimmt an und bleibt zehn Jahre.
Wertvoller Erfahrungsschatz
Die Ausbildung zum „staatlich geprüften Techniker für Weinbau und Önologie“ schließt er an. Deshalb sagt er auch: „Ich bin Quereinsteiger.“ Stationen auf verschiedenen Weingütern in Südafrika, Neuseeland und Kalifornien folgen.
Diese Erfahrung ist es, die die „Organisation professionelle des vignerons indépendants“ (OPVI) bewogen hat, sich für ihn zu entscheiden. Das zumindest sagt deren Präsident Erny Schumacher. „Wir Privatwinzer wollen immer auf dem neuesten Stand sein und sind sehr qualitätsbewusst“, sagt er, „Andys internationale Erfahrung ist wertvoll für uns“. Sie wird gerade bei der Bewertung des letzten Jahrgangs gebraucht.
Wein-Verkostungen
Einen Termin mit ihm zu vereinbaren, ist in diesen Wochen nicht einfach. Zurzeit stehen unzählige Verkostungen auf dem Programm, um die luxemburgischen Weine für die verschiedenen Qualitätslabels einzustufen. „Das ist jetzt gerade die Zeit“, sagt Kilian, „bis zur ‚Foire‘ wird das noch so weitergehen“. Bis zu 60 Verkostungen am Tag macht er gerade. Da werden Gläser in der Hand geschwenkt, der Inhalt im Glas erst über die Nase getestet und anschließend auf der Zunge hin- und hergerollt. In Unterhaltungen mit den Produzenten fallen Stichworte wie „filigran“, „geschmeidig“ und „Rückgrat“ oder „Blume“. „Der Wein hat einen Charakter und eine Persönlichkeit, und dahinter steht immer der Winzer“, sagt Kilian zur Philosophie des Produkts.
Der noch in den Gärtanks und Fässern befindliche Jahrgang 2011 hat gute Chancen, ein Bestseller zu werden. „Wir haben nicht zu früh geerntet und gute Aussichten darauf, dieses Jahr Spitzenweine hervorzubringen“, sagt Schumacher nicht ohne gewissen Stolz.
Hochwertige Erzeugnisse
Die Arbeit dafür beginnt im Weinberg, wo Kilians Rat ebenfalls begehrt ist. Winzer Armand Schmit-Fohl begutachtet die ersten Ausschläge an jungen Pflanzen. Dieses Teilstück seines achteinhalb Hektar großen Weinbergs hoch über der Mosel hat er vor drei Jahren neu angelegt. Jetzt geht es darum, die jungen Stöcke zu langfristigen Produzenten hochwertiger Erzeugnisse zu machen.
Dabei hilft die Meinung des Weinberaters, der die für den Laien kahlen Äste genauso kritisch beäugt wie der Winzer selbst. „Augen“ werden die ersten zarten Triebe der Weinstöcke genannt. Schmit-Fohl wird an den jungen Pflanzen nur jeden zweiten oder dritten weiterwachsen lassen, um solide Stöcke zu erzeugen. „Für mich ist der Austausch mit jemandem wie Andy wichtig“, sagt Schmit-Fohl. „Man lernt ja nie aus, wird aber schnell kellerblind.“
Schnell eingelebt
Wenn Kilian über den luxemburgischen Wein spricht, ist die Bewunderung für das bereits Erreichte in Sachen Qualität herauszuhören. Besonders bei der, wie er sagt, „Königin des Weins“, dem Riesling. Sich in Luxemburg einzuleben bereitet ihm keine Probleme. Er steht schließlich nicht das erste Mal vor dieser Aufgabe.
Vielleicht hat die Mosel dabei geholfen. Kilian liebt Wasser und fühlt sich wohl in der vom Wein geprägten Flusslandschaft. Sein nächstes Vorhaben hat damit zu tun: „Ich werde mir ein Kanu besorgen und auf der Mosel paddeln.“
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