„Ein bedeutungsloser Opportunist“

„Ein bedeutungsloser Opportunist“
(dpa/Andreu Dalmau)

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Vor einem Jahr sorgte Michel Houellebecq mit seinem umstrittenen Roman "Unterwerfung" für Aufsehen. Nun meldet sich das Enfant terrible der französischen Literatur mit viel Kritik zurück.

Vielen Autoren wird die Ehre einer Gesamtausgabe ihrer Werke posthum zuteil. Oder aber weil sie in hohem Alter sind. Doch Michel Houellebecq ist weder das eine noch das andere. Ein Jahr nach der Veröffentlichung seines in Frankreich als islamfeindlich kritisierten Bestsellers „Unterwerfung“ soll nun der erste Band seiner Gesamtausgabe mit Texten aus den Jahren 1991 bis 2000 erscheinen. Seine Leser lebten in der Regel in kleinen Wohnungen, schreibt der 59-Jährige in dem Vorwort. Platz in der Bibliothek zu gewinnen sei wichtig und einer der Gründe dieser Ausgabe.

Der erste Teil von ungefähr 1200 Seiten soll am 6. Januar im französischen Buchhandel ausliegen. Ein Datum, das schmerzliche Erinnerungen wach ruft. Denn am 7. Januar stürmten zwei islamistische Extremisten die Pariser Redaktion der Satirezeitung „Charlie Hebdo“. Das Attentat mit zwölf Toten fand zeitgleich zum Erscheinen von Houellebecqs politischer Fiktion statt, in der Frankreich von den Muslimbrüdern regiert wird. Nach dem Terrorangriff war nach einem Zusammenhang mit dem Buch und dem Blutbad gesucht worden. Denn „Charlie Hebdo“ machte an jenem Tag mit Houellebecq auf.

Provokateur und Bestsellerautor

„Nein, Frankreich, das ist nicht die Unterwerfung, Frankreich, das ist nicht Michel Houellebecq“, erklärte der französische Premierminister Manuel Valls. Und Houellebecq hatte nach dem Anschlag auf die als islamkritisch geltende Wochenzeitung seine Werbekampagne in Frankreich abgebrochen und alle Lesungen abgesagt.

Seitdem hat sich Houellebecq aus der französischen Öffentlichkeit weitgehend zurückgezogen. Dabei hatte das Enfant terrible der französischen Literatur („Elementarteilchen“, „Die Möglichkeit einer Insel“, „Karte und Gebiet“) sich nach mehrjährigem Aufenthalt in Irland erst vor etwas mehr als zwei Jahren wieder in seinem Heimatland niedergelassen. Frankreich sei kein schlechtes Land, wenn man alt wird, spöttelte er. Seine Rückkehr hat sich der Provokateur und Bestsellerautor aber wahrscheinlich anders vorgestellt. Seinen einzigen öffentlichen Auftritt gab er nach den Terroranschlägen in Deutschland, wo sein Buch von den Kritikern gefeiert wurde.

„Man gewöhnt sich an alles, auch an Attentate“

In der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“ schlug Houellebecq vor wenigen Wochen schließlich zurück. In einer Kolumne mit dem Titel „Ich klage Hollande an und verteidige die Franzosen“ kommentierte er die Attentat-Serie in Paris vom 13. November. Darin nannte er Frankreichs Staatschef François Hollande einen „bedeutungslosen Opportunisten“ und Valls einen „Geistesschwachen“. Die Regierung habe versagt, sie sei der Verpflichtung die Bevölkerung zu schützen, nicht nachgekommen, erklärte er. „Man gewöhnt sich an alles, auch an Attentate“, sagte er der Zeitung. Diesmal habe er nicht einmal mehr den Fernseher eingeschaltet.

Houellebecq scheint mit Frankreich im Clinch zu liegen. Denn in dem Vorwort der chronologisch angeordneten Gesamtausgabe kritisiert er in Frankreich auch die Herstellung von Büchern. Die Produktion sei von schändlicher Mittelmäßigkeit. Wann der zweite Band mit seinen zwischen 2001 und 2010 erschienen Texten und Romanen erscheint, steht noch nicht fest.