Die Zeitlosigkeit der Teufelspakte

Die Zeitlosigkeit der Teufelspakte
(Tania Feller/Editpress)

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Viele verbinden Goethes „Faust“ mit dem Luxemburger Schulabschluss. Und erinnern sich dunkel an diese Teufelsfrage und den Gretchenpakt. Oder andersrum. Jean-Paul Maes inszeniert den „Faust“ nun erneut.

In einem Gespräch erzählt die Truppe von der Zeitlosigkeit des Werks, seiner humoristischen Dimension und von ihren Erwartungen für die Aufführung.

Jean-Paul Maes dirigiert seine Schauspieler heute wie ein „chef d’orchestre“ – mit einer Nudelkralle. Da die Saxofonistin erkrankt ist, ersetzt der Regisseur die musikalischen Intermezzi, indem er das Küchenutensil zweckentfremdet und damit rhythmisch auf den Tisch pocht. Mit dieser improvisierten Requisite erlaubt er es seinen Schauspielern, ein Gefühl für den Rhythmus einer Passage zu entwickeln.

Während der Probe wird der Anfang des Klassikers durchlaufen, von Gottes Wette mit Mephisto bis hin zum Lockruf des Freitods. Akustische Herausforderungen werden durchdiskutiert, Lautstärken getestet, Choreografien verhandelt. Improvisationen führen zu humoristischen Einlagen, die Schauspieler erzählen begeistert von Rap-Einlagen, Timing und Gefühl für die Situationen und Figuren werden mit viel Mühe erarbeitet.

Vielfältige Figur

Forscher Thomas Pavel bemerkt in „Fictional Worlds“, dass die griechischen Götter früher mal als real galten. Und dass sie irgendwann zu fiktionalen Gestalten degradiert wurden. Der umgekehrte Prozess ist fast noch faszinierender. So weiß man heutzutage nicht mehr viel von der realen Person, auf der die Figur des Faust basiert. Die Dichtung diente anschließend dazu, diese Lücken zu füllen, so dass die fiktionale Gestalt nach und nach die reale Person verdrängte.

Dann nahm Goethe sich des Stoffes an, um über viele Jahre an einem der größten Referenzwerke der deutschen Literatur zu schreiben. Das Resultat war ein komplexes Sammelsurium an Themen und Genres. Es ganz vorzuführen hätte den Rahmen eines Abends sicherlich gesprengt, weshalb eine Wahl getroffen werden musste. Denn die Figur des Faust ist vielfältig, komplex und bei der Inszenierung gilt es deshalb immerzu, einen Konsens – sowohl in der Darstellung der Figuren als auch im Ton – zu finden.

Erweiterung des Möglichen

Für Jean-Paul Maes sind wir alle mit unseren Bestrebungen ein bisschen wie Faust. „Es ging mir hauptsächlich darum, die Figur des Faust menschlich darzustellen“, erklärte der Regisseur. „Er soll nicht dieser vom Volksmenschen abgeschottete Wissenschaftler sein.“ Der Mensch sei ein Rudeltier, fügte er hinzu. „Die Menschen haben entdeckt, dass das Leben im Rudel ihnen die größten Überlebenschancen bietet. Faust ist gerade deswegen interessant, weil er außerhalb des Rudels handelt. Und sich bewusst ist, wie fatal eine solche Entscheidung sein kann.“

Und wie handhaben die Schauspieler das Erbe dieser zahlreichen Faust-Verkörperungen? Tim Olrik Stöneberg (Mephisto) sagte, er habe sich bewusst keine der anderen Vorstellungen des Stückes angesehen. Für ihn ist Mephisto dieser kleine Teufel, den wir öfters auf unserer Schulter sitzen haben. „Er ist dieser Kumpel, der dich regelmäßig auf ein Bierchen einlädt. Und bei dem du nicht weißt, wie der Abend nun ausgehen wird. Mephisto verkörpert nicht das Böse, sondern bietet Faust eine erweiterte Handlungsfläche, einen größeren Raum des Möglichen.“

Komplexität der Figur

Für die meisten war die Auseinandersetzung mit dem Text zuerst schwierig, Rosalie Maes (Gretchen) empfand das archaische Deutsch anfänglich als sperrig, undurchlässig. „Aber nach einer Weile gewann ich Zugang zur Sprache, und der Rhythmus der Verse erlaubte es mir, dem Fluss des Textes zu folgen. Die Herausforderung lag dann vielmehr darin, nicht in eine monotone Litanei zu verfallen, sondern der Komplexität meiner Figur zu folgen.“ Neven Nöthig (Faust) bemerkte, dass der Text sehr oft emotionale Anweisungen via lautmalerische Zwischenrufe einbette. Für Tim Olrik Stöneberg geben die bildreichen Verse dem Schauspieler viel Freiraum.

Nach „Homo Faber“ ist „Faust“ bereits der zweite vom Schulsystem aufgedrängte Klassiker, den Jean-Paul Maes inszeniert. Weshalb auch die zukünftige Anwesenheit von Schulklassen viel debattiert wird. „Wenn du einen Klassiker inszenierst, musst du damit rechnen, dass anfänglich viele Leute mit gelben (Reclam-) Heftchen auftauchen. Um endlich einmal mitlesen zu können.“

Aber da zählt Jean-Paul Maes ganz auf Beleuchter Roland Jakobi. Der kann den Saal nämlich so abdunkeln, dass das Publikum gezwungen wird, ohne die Hilfe des Texts in die dunkle Welt des Stücks einzutauchen.

Die Premiere des Stückes findet am 20. Januar um 20.00 Uhr statt. Weitere Infos und Tickets gibt es hier.