Die Krise trieb Tausende in den Selbstmord

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Im Zuge der Finanzkrise haben sich in Europa und Nordamerika zwischen 2008 und 2010 eindeutig mehr Menschen das Leben genommen.

Früher war alles besser. Dieser häufig zitierte Satz stimmt nicht immer – doch punkto Suizid ist es so. Denn während Experten vor 2007 einen deutlichen Abwärtstrend an Selbsttötungen dokumentierten, stieg die Zahl ab 2008, als die Wirtschaftskrise ihren Anfang nahm, wieder an, wie Forscher um Aaron Reeves von der Universität Oxford im „British Journal of Psychiatry“ berichten.

Für ihre Studie werteten sie die Daten der Weltgesundheitsorganisation WHO aus 24 Ländern aus. Demnach stieg die Rate 2009 in der EU um 6,5 Prozent. Das sind 7950 Suizide mehr, als man aufgrund der bisherigen Entwicklung erwartet hätte. In Kanada gab es zwischen 2007 und 2010 insgesamt 240 Tote mehr (4,5 Prozent). In den USA, wo die Selbsttötungen zuvor schon zugenommen hatten, erhöhte sich die Rate um 4,8 Prozent. Das bedeutet 4750 zusätzliche Suizide.

Unterschiede zwischen den Ländern

Zwar handelt es sich laut Angaben der Forscher bei den Daten um vorsichtige Schätzwerte, doch der Anstieg sei in jedem Fall deutlich grösser als erwartet. Kündigungen, Enteignungen und die Anhäufung von Schulden seien die grössten Risikofaktoren für wirtschaftlich bedingte Selbsttötungen.

Doch obwohl alle untersuchten Länder von der Krise betroffen waren, melden die Wissenschaftler deutliche Unterschiede. In Schweden und Finnland beispielsweise sei die Suizidrate gleich geblieben. In Österreich sei sie – trotz steigender Arbeitslosigkeit – sogar gesunken. Daraus schliessen Reeves und seine Kollegen, dass krisenbedingte Selbstmorde zumindest theoretisch vermeidbar wären. Was den Unterschied macht, ist unklar.

Arbeitsmarktprogramme statt Antidepressiva

Zwar seien in Folge der Rezession mehr Antidepressiva verschrieben worden, so Reeves und Kollegen. Trotzdem hätten die Selbstmorde zugenommen. Als bessere Alternative schätzen die Forscher daher soziale und politische Maßnahmen ein wie aktive Arbeitsmarktprogramme. Sie schätzen, dass man beispielsweise in den USA die Suizidrate um 0,4 Prozent senken könnte, wenn man nur 100 Dollar pro Kopf in Programme für Arbeitslose stecken würde.

Die Forscher fordern die Politik zum Handeln auf, denn die Suizide seien nur die Spitze des Eisbergs. Die Daten zeigten, dass Europäer und Nordamerikaner eine echte psychische Krise durchlaufen würden und man in den weiterhin schwierigen wirtschaftlichen Zeiten mit einem weiteren Anstieg von Suiziden rechnen müsse.