Die kommunale Landschaft im 21. Jahrhundert

Die kommunale Landschaft im 21. Jahrhundert
(Tageblatt)

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Während seiner Festrede zum 25. Jubiläum des Gemeindesyndikates Syvicol hat Innenminister Jean-Marie Halsdorf einen Ausblick auf die künftige Gestaltung der Gemeinden gewagt. Die Hauptaspekte der Reform.

Die Grundsätze der Aufgabenstellung an die Gemeinden gehen auf zwei Dekrete aus dem Revolutionsjahr 1789 und dem darauf folgenden Jahr 1790 zurück, wurden aber noch von Louis XVI promulgiert.

Hierin heißt es u.a.: „les fonctions propres au pouvoir municipal, sous la surveillance et l’inspection des assemblées administratives sont: (…), de faire jouir les habitants des avantages d’une bonne police, notamment de la propreté, de la salubrité, de la sûreté et de la tranquillité dans les rues, lieux et édifices publics“. Daneben hatten die Gemeinden den Auftrag, sich um die öffentlichen Finanzen und Gebäude zu kümmern.

Dies passe auch heute noch, allerdings seien die Aufgaben komplexer und umfassender geworden, so Halsdorf Mitte Juli dieses Jahres vor den versammelten Gemeindeautoritäten. Es gelte, das Gemeindewesen in eine neue Ära zu führen, und erste Meilensteine in diese Richtung seien bereits gesetzt.

Verwaltung, Finanzen,technische Dienste

Während der aktuellen Legislaturperiode würden die seit 2003 geleisteten Vorarbeiten ihren gesetzlichen Niederschlag finden, so der Minister weiter, der erklärte, die künftige interne Struktur der Gemeindeverwaltungen werde auf drei Pfeilern ruhen, die da heißen: Verwaltung, Finanzen und technische Dienste.

Auch das Reformpaket des Ministeriums baue auf drei Pfeilern auf.
Eine grundlegende Reform der staatlichen Aufsicht über die Kommunen, gemeinhin als „tutelle“ bezeichnet, sei geplant. Die sei das „Filetstück“ der Reform.
Bislang galten viele der Entscheidungen auf kommunaler Ebene erst, nachdem das Innenministerium seine Zustimmung gegeben hatte. Hier soll ein regelrechter Paradigmenwechsel stattfinden: Nach dem Prinzip, das auch in der verwaltungstechnischen Vereinfachung festgehalten ist – „le silence de l’administration vaut accord“ –, soll künftig die Kontrollinstanz Innenministerium nur noch eine kleine Anzahl von Entscheidungen annehmen müssen; etwa die kommunalen Steuern oder die Bebauungspläne betreffend, da diese über die rein kommunalen Interessen hinausreichen.

Kommune als Kontrollinstanz

Sollte die Kontrollinstanz im Rahmen der anderen Entscheidungen Einwände haben, so richtet sie diese an die Kommune, die entweder darauf eingeht oder nicht. Entspricht sie den Vorschlägen des Innenministeriums nicht, so bleibt diesem die Möglichkeit, Rekurs vor dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die bisherige Logik der Prozesse werde demnach komplett umgekehrt, die Gemeinden werden stärker als bislang für ihre Entscheidungen verantwortlich sein und mehr Macht erhalten.

Ein weiterer Aspekt der Reform werde eine neue territoriale Struktur sein. Nach den sechs Fusionen, die während der laufenden Legislatur bereits erfolgreich abgeschlossen wurden, wird Luxemburg 2012 noch 106 Gemeinden zählen. Dies sei aber noch weit entfernt von den gesetzten Zielen.

Gemeinden: Moderne Unternehmen

Zwischen Staat und Gemeinden gebe es in Luxemburg keine Zwischeninstanzen (wie etwa in Frankreich oder Deutschland), was bedeutet, dass die Gemeinden moderne Unternehmen sein müssen, die ihren Bürgern überall im Land gleichwertige Dienste anbieten können. Dies gehe aber nur ab einer bestimmten Größe.

Natürlich könne hierbei nicht über die Köpfe der Bevölkerung hinweg entschieden werden. Deshalb werde im Rahmen der Fusionen die Methode der Volksbefragung eingesetzt.

Autonomie und Gleichgewicht

Stärkere Gemeinden bedeuten autonomere Gemeinden, bei denen weniger an Syndikate delegiert wird. Dies entspreche einem demokratischen Grundprinzip und sei Bestandteil der Gemeindeautonomie, so Halsdorf.
Besonders bei den Kommunen im ländlichen Raum sieht der Minister Fusionspotenzial, aber auch im urbanen und peri-urbanen Raum müssten Wege gefunden werden, um räumliches Gleichgewicht zu schaffen. Ein gutes Beispiel hierfür sei Bascharage, das sich nach der Fusion besser im Verhältnis zu den großen Nachbargemeinden positionieren könne.

Das Argument, durch Fusionen würden die Bürger die Nähe zu ihrer Gemeinde verlieren, lässt Halsdorf nicht gelten; im Gegenteil, stärkere Gemeinden würden die Entscheidungsprozesse wieder näher an den Bürger heranbringen.
Dritter Aspekt der Reform seien die Gemeindefinanzen. Zurzeit würde hier eine Bestandsaufnahme in Zusammenarbeit mit der Zentralbank durchgeführt. Zielsetzung sei ein kohärentes und transparentes System, bei dem es keine krassen und objektiv nicht nachvollziehbaren Unterschiede mehr geben soll.

Keine griechischen Verhältnisse

Da die kommunalen Finanzen Bestandteil der öffentlichen Buchhaltung sind, sei aber auch weiterhin eine Kontrolle notwendig. Die „Cour des comptes“ könnte hier eine zentrale Rolle spielen; allerdings müssten hier noch einige Probleme aus dem Weg geräumt werden. Ein möglicher Weg sei die Schaffung einer an den Rechnungshof angegliederten „Chambre des comptes communaux“. Die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Finanzentscheidungen reiche jedenfalls nicht mehr aus; auch die Effizienz der kommunalen Finanzverwaltung müsse überwacht werden. Es dürfe auf Gemeindeebene nicht zu griechischen Verhältnissen kommen.

Weiter sollen Kompetenzblöcke geschaffen werden, die den Gemeinden immer dann neue Einnahmen zusichern, wenn diese neue Aufgaben erhalten. Die Gemeinden sollen schließlich effizient und im Interesse ihrer Bürger arbeiten können.

Mit all diesen Maßnahmen, so Jean-Marie Halsdorf, sei es möglich, die Gemeindelandschaft so umzugestalten, dass die Kommunen auch im 21. Jahrhundert eine wichtige Rolle spielen können und werden.