Der Vatermord kommt auf Raten

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Der alte Provokateur Jean Marie Le Pen passt nicht mehr ins Bild der französischen Bewegung Front National. Man würde ihn gerne los werden. Aber wie?

Jean Jacques Bourdin ist Kult. Er hat seine morgendliche Interviewsendung auf dem Fernsehsender BFMTV, die ebenfalls Kultstatus hat. Bourdin geht intensiv auf seine Partner zu, spricht schonungslos ihre Schwachstellen an. Dem ehemaligen Außenminister Roland Dumas entlockte er antijüdische Äußerungen. Das Gespräch mit Jean Marie Le Pen nach den Départementalwahlen hat eine Krise in der rechtsradikalen Bewegung Front National ausgelöst, den ein zusätzliches Interview des Bewegungsgründers in der rechten Zeitschrift Rivarol unter dem Titel „Der letzte freie Mann?“ zu einem medialen Sturm werden ließ.

Wenn man Jean Marie Le Pen eine Angel zu provokativen Äußerungen hinhält, beißt er an. Als Jean Jaques Bourdin ihn im Interview danach fragt, ob er denn nun immer noch zu seinen Äußerungen zu den Gaskammern steht, kommt wie aus der Pistole geschossen: „Ich bin nach wie vor der Meinung, dass die Gaskammern im Zusammenhang mit dem zweiten Weltkrieg ein zu vernachlässigendes Detail sind.“ Er sei nun einmal ein Mann von Überzeugung und werde diese Überzeugung nicht aufgeben, fügt er an. Die Justiz hat ihre Schwierigkeiten mit ihm. Sie hat ihn in der Vergangenheit wegen Negierung des Holocaust verurteilt. Und auch jetzt wird wieder ein Ermittlungsverfahren wegen Negationismus eröffnet. Aber Jean Marie Le Pen leugnet gar nicht. Er relativiert. Das reicht, um neuerdings nicht nur die Medien in Aufruhr zu versetzen, sondern auch seine Partei, zumal der Bewegungsgründer, dann in einem Interview mit der rechten Zeitschrift Rivarol noch einmal nachlegt und seine Thesen erläutert. Der 86-Jährige ist in einem Alter, wo er keine Rücksicht mehr nimmt. Politisch korrekt zu reden war nie seine Sache.

Jetzt aber schwimmt er auf einer Erfolgswelle der populistischen Partei, die in Wirklichkeit von seiner Tochter Marine verantwortet wird und sieht sich schon als Spitzenkandidat für die Mittelmeer-Region PACA. Man weiß nicht so genau, ob er mit seinen Äußerungen der Partei bewusst schaden will.

Familienbewegung Front National

Der Front National ist in seiner Spitze eine Familienbewegung. Jean Marie Le Pen gründete sie. Sein Ziel war, eine Bewegung ins Leben zu rufen, die ihn an die Spitze des Staates schwemmt. Seine Tochter Marine Le Pen hat die Strategie der Partei verändert. Sie sucht die Verankerung im lokalen Bereich. Sie hat rassistische Parolen aus dem Sprachgebrauch verbannt, redet stattdessen von einer nationalen Priorität. Marine Le Pen will mit dem Front National (FN) auf den Weg durch die Institutionen gehen. FN soll bürgerlich werden. Das ist ihr fast gelungen. FN zog in Rathäuser bei den Kommunalwahlen ein, stellt Bürgermeister und ist nun auch in den Départementalräten vertreten. Wäre da nicht der Vater. . . Abgeschoben worden ist er bereits auf den Posten des Ehrenpräsidenten. Jetzt müsste er eigentlich die Partei verlassen.

Der FN von heute ist nicht mehr alleine eine Familienangelegenheit. Marine Le Pen hat die Partei strukturiert mit Vizepräsidenten, mit Generalsekretären. Aus deren Reihen kommen die klaren Aussagen. „Jean Marie Le Pen hat sich mit seinen Aussagen in einen totalen Gegensatz zur Politik der Partei begeben, das ist ein Bruch“, sagt Vizepräsident Florian Philippot, der sich das deutsch-luxemburgische Grenzgebiet als Handlungsraum ausgesucht hat. Die Partei werde nicht zulassen, dass Jean Marie Le Pen sie mit ihm nach unten ziehe.

„Selbstmörderische“ Spirale

Der FN sei dabei sich zu „dediabolisieren“ sagt der FN Bürgermeister von Henin-Beaumont im Norden Frankreichs. Die Äußerungen des Bewegungsgründers seien konträr dazu. So deutlich konnte die Tochter es nicht ausdrücken. Sie ließ lediglich verlauten, dass sie dagegen sei, dass ihr Vater Spitzenkandidat bei den Regionalwahlen im Dezember 2015 in der Region Paca werden sollte. Dort wartet bereits eine andere aus dem Clan darauf, benannt zu werden, will sich aber nicht offen gegen ihren Großvater stellen. Marion Maréchal Le Pen, Nichte der Tochter, direkt in die Nationalversammlung gewählt, eine Begabung mit politischem Instinkt, will die Regierung für sich holen. Sie kritisiert ihren Großvater für seine ungeschickten provokatorischen Äußerungen. Die Bewegung selbst spricht in einer Mitteilung von einer „selbstmörderischen“ Spirale.

Theoretisch kann Jean Marie Le Pen aus der Partei ausgeschlossen werden. Praktisch ist das kaum möglich. Der Exekutivrat tagt am Wochenende. Möglicherweise belässt er es dabei, Jean Marie Le Pen die Ehrenpräsidentschaft abzuerkennen und ihm die Region Paca nicht als Spitzenkandidat zu geben. Jean Marie Le Pen würde dann zukünftig nur noch für sich reden. Steeve Briois: „Wichtig ist, dass die Öffentlichkeit sieht, dass solche Äußerungen von der Partei sanktioniert werden. Selbst wenn es der Vater ist. Das gibt uns Glaubwürdigkeit. Es ist schade, dass Jean Marie Le Pen mit seinen Verdiensten seine politische Karriere so beendet.“