/ Der überforderte Guttenberg
Er wollte weder seine Familie noch seinen Doktorvater enttäuschen, heißt es. Am Mittwoch hat die Universität Bayreuth ihren Abschlussbericht zur Doktorarbeit von Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg vorgelegt. Hier die wichtigsten Passagen aus dem Kapitel, das sich mit dem wissenschaftlichen Fehlverhalten des CSU-Politikers beschäftigt:
Begründung
„Nach eingehender Würdigung der gegen seine Dissertationsschrift erhobenen Vorwürfe stellt die Kommission fest, dass Herr Frhr. zu Guttenberg die Standards guter wissenschaftlicher Praxis evident grob verletzt und hierbei vorsätzlich getäuscht hat. Das wissenschaftliche Fehlverhalten von Herrn Frhr. zu Guttenberg liegt darin begründet, dass seine Doktorarbeit in großen Teil aus sog. Falschangaben im Sinne der ‚Regeln über den Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten an der Universität Bayreuth‘ besteht. (…) ‚Falschangabe‘ in diesem Sinne ist jede Angabe, die nicht korrekt, also unrichtig ist, weil sie z.B. gegen die fachspezifischen Zitierregeln verstößt, die eigene von fremden wissenschaftlichen Leistungen unterscheidbar machen.“
Zu Plagiaten
„Objektiv betrachtet weist die Dissertation eine Fülle von Plagiaten im vorgenannten Sinne auf. Über die ganze Arbeit verteilt finden sich Stellen, die als Wortlaut- oder Inhaltsplagiat zu qualifizieren sind, d.h., Herr Frhr. zu Guttenberg macht nicht oder nicht klar genug deutlich, dass er fremde Werke herangezogen hat.
Besonders deutlich lässt sich dies anhand der Verwendung der Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages veranschaulichen. Die genaue Untersuchung hat ergeben, dass diese Ausarbeitungen jeweils ohne oder ohne ausreichende Quellenangaben plagiiert wurden, und zwar ungeachtet der kleineren Abweichungen, die im Folgenden im Einzelnen belegt werden.
Herr Frhr. zu Guttenberg hat damit (…) den Eindruck hinterlassen, es handele sich um eigene Leistungen, obgleich es sich um Leistungen anderer Autoren handelt. Die damit verbundenen Falschangaben führen zu Fehlvorstellungen, d.h. zu Irrtümern über die Autorschaft, sind also Täuschungen. Diese objektiv bestehenden Täuschungen durchziehen die Arbeit als werkprägendes Bearbeitungsmuster.“
Zu Täuschungsvorsatz
„Herr Frhr. zu Guttenberg hat auch vorsätzlich gehandelt, also die Falschangaben bewusst getätigt bzw. sich die Autorschaft ‚angemaßt‘, was bewusstes Vorgehen voraussetzt. Die Kommission geht in Anlehnung an die allgemein anerkannte Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu Promotionsangelegenheiten davon aus, dass sich der Täuschungsvorsatz aus der Quantität und Qualität der objektiven Verstöße gegen die Standards guter wissenschaftlicher Praxis, also aus objektiven Indizien, herleiten lässt. Wenn, wie hier, feststeht, dass jemand fremde, also nicht von ihm stammende Texte in einem kaum vorstellbaren Ausmaß ‚in allen Einzelheiten einschließlich der Interpunktion‘ ohne Kennzeichnung der Autorenschaft anderer übernommen hat, dann deutet bereits dieser Umstand auf bewusstes Vorgehen hin. Weitere Indizien sind Umformulierungen des Textes, die Umstellung der Syntax, die Verwendung von Synonymen sowie einzelne Auslassungen; auch sie deuten auf den Willen des Doktoranden hin, die Übernahme fremder Texte zu verschleiern.“
Zu Erklärungen Guttenbergs
„Die diversen Erklärungen von Herrn Frhr. zu Guttenberg, seine berufliche und familiäre Mehrfachbelastung habe ihn offensichtlich den Überblick über die Quellen verlieren lassen, vermochte die Kommission nicht zu überzeugen. Das würde voraussetzen, dass gerade die nicht eben seltene Situation einer Mehrfachbelastung durch Beruf und Familie zu unerkannten Plagiaten führt, wofür es aber generell an plausiblen Erfahrungssätzen und überdies an nachvollziehbaren Anhaltspunkten im konkreten Fall fehlt. Die Kommission vermag nicht nachzuvollziehen, dass jemand, der über Jahre Quellen für seine Dissertation bearbeitet, derart in einen Zustand der Dauervergesslichkeit gerät, dass ihm die allerorten in seiner Arbeit nachweisbaren Falschangaben vollständig aus dem Bewusstsein geraten.
Er hat damit sehenden Auges – gegen die ihm bewusste Einsicht, überfordert zu sein – in Kauf genommen, dass er eine Arbeitsweise gepflegt hat, der die fehlende wissenschaftliche Sorgfalt immanent ist. Wer jahrelang akzeptiert, dass er Sorgfaltsstandards nicht einhält, handelt nicht fahrlässig, sondern vorsätzlich, weil er die Sorgfaltswidrigkeit zum bewussten Arbeitsstil erhebt.“
Zu Ghostwriter
„Soweit in der Öffentlichkeit die Vermutung geäußert wurde, Herr Frhr. zu Guttenberg habe die Dienste eines ‚ghostwriters‘ in Anspruch genommen, hat die Kommission keine Feststellungen treffen können. Für Aufklärung kann insoweit nur Herr Frhr. zu Guttenberg selbst sorgen. Angesichts dieser Sachlage musste die Kommission bei der Erstellung des Berichts entsprechend der Versicherungen von Herrn Frhr. zu Guttenberg davon ausgehen, dass die Dissertation von ihm selbst verfasst wurde. Im Übrigen würde die Tätigkeit eines ‚Ghostwriters‘ an der festgestellten bewussten Täuschung nichts ändern, weil ‚ghostwriting‘ die intensivste Form der Täuschung über die Autorschaft ist.“
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Guttenberg wegen Verstößen gegen das Urheberrechts. Es liegen bereits mehr als 100 Anzeigen vor. Zum Stand des Verfahrens wollte sich Oberstaatsanwalt Reiner Laib am Mittwoch nicht äußern.
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