Der „Professore“ krempelt Italien um

Der „Professore“ krempelt Italien um
(dpa)

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Italien lässt auch außenpolitisch eine bleierne Zeit hinter sich. Regierungschef Mario Monti ist mit viel Tempo dabei, das Land auf Vordermann zu bringen. Und spielt auf der europäischen Bühne mit.

Mario Monti ist dabei, sein Land umzukrempeln – und das Image Italiens in der Welt gleich mit. Am 16. November in einem geschickten Schachzug von Staatspräsident Giorgio Napolitano als Chef einer Übergangsregierung eingesetzt, ist der Wirtschaftsprofessor aus der Lombardei in Windeseile ans Werk gegangen. Auf ein drastisches Sparpaket für das hoch verschuldete Land (Motto: „Rettet Italien“!) folgten Dekrete gegen Privilegien so mancher Berufsgruppe und einige spektakuläre Aktionen gegen die Steuerhinterziehung. Der 68-jährige parteilose Monti hat weitere ehrgeizige Pläne, darunter vor allem eine umstrittene Liberalisierung des Arbeitsmarktes. Dass da die Gewerkschaften murren, hält ihn nicht auf. Bisher zumindest nicht.

Mit leiser Stimme verkündet „Il Professore“, mit welchen teils schmerzhaften Maßnahmen er nach dem Sparen jetzt Wachstum schaffen will. Denn die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone ist in der Rezession, die Griechenland-Krise bedroht auch Italien. Und Monti hat wahrscheinlich nur noch ein gutes Jahr Zeit, den Stiefelstaat auf Vordermann zu bringen. Denn die Legislaturperiode endet im Frühjahr 2013, und Montis Technokratenkabinett ist eingesetzt, nicht gewählt.

„Bella figura“ in Europa

„Bella figura“ macht der unitalienisch zurückhaltende Monti nicht nur an der Heimatfront, sondern auch in Europa. Während in den Jahren seines schillernden Vorgängers Silvio Berlusconi manche europäische Politiker Rom gemieden haben, stehen sie jetzt Schlange. Zum Beispiel am Donnerstag: Mariano Rajoy, Amtskollege eines anderen mediterranen Sorgenkindes in der Schuldenkrise, kam aus Madrid. Und aus Straßburg reiste EU-Parlamentspräsident Martin Schulz an, um Unterstützung für die „erheblichen Anstrengungen des italienischen Volkes und seiner Regierung im Kampf gegen die Krise zu demonstrieren“. Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy binden Monti ein. Der „Anti-Berlusconi“ bringt Italien Europa wieder näher.

So kann Monti mit deutlichen Worten dafür werben, den Sparkurs nun nicht zu überdrehen, Eurobonds einzuführen und Wachstum zu schaffen. Italien will der ausgewiesene Wirtschaftsfachmann aus Varese damit zu einem wieder voll respektierten und beachteten Land machen. Die Idee, für Athens Haushalt eine Art Kommissar einzusetzen, nennt er „weit hergeholt und unangenehm“. Und er hält immer wieder fest: Rom leiste mit den Reformbemühungen seinen Teil, jetzt sei Europa an der Reihe. Auch mit Liberalisierungen, um jungen Leuten Arbeit geben zu können.

Druck der Finanzmärkte verringert

Wertschätzung für den lombardischen Professor kommt aber nicht nur aus der Politik. Der zuvor so dramatische Druck der Finanzmärkte auf die italienischen Staatsanleihen hat sich spürbar verringert. Wann immer eine Ratingagentur Italien nun noch weiter herabstuft, ist das meist mit einem Hinweis auf die positiven Anstrengungen der Regierung in Rom verbunden – das klingt so, als müsse man „trotz Monti“ Italien schlechter benoten. Zudem hob das „Time“-Magazin den Mann auf sein Titelblatt, der Ministervermögen offenlegt, selbst auf sein Gehalt verzichtet und ständig als eine Art Hoffnungsträger unterwegs ist.

Transparenz, Flexibilität und Glaubwürdigkeit sollen das Land aus der Gefahrenzone holen. Nach den ersten 100 Tagen stehen die Chancen nicht schlecht, dass ihm das auch gelingt. Immerhin, meint er, nähmen seine Landsleute die abverlangten Opfer mit mehr „Reife“ hin, als so mancher Politiker wohl gedacht hätte. Der frühere EU-Kommissar weiß dabei: Italien kann sich so gut es geht nun anstrengen – eine Rettung aus der Schulden- und Wachstumskrise hängt jedoch auch von Europa ab. Das Land darf allerdings auch nicht in den alten Trott zurückfallen.