/ Der Gegenschlag des Beschuldigten

Keine 24 Stunden, nachdem gegen Frankreichs Ex-Staatschef ein formelles Ermittlungsverfahren wegen Korruption eingeleitet wurde, wies dieser in einem Fernseh-Interview die Vorwürfe entschieden zurück. Mehr noch: Zur besten Sendezeit prangerte er am Mittwochabend eine „politische Instrumentalisierung“ der Justiz an und machte damit deutlich, dass er ein Komplott der regierenden Sozialisten gegen ihn vermutet. Sarkozy kämpft um sein politisches Überleben – und kann noch lange nicht abgeschrieben werden.
„Es wird alles unternommen, um ein Bild von mir entstehen zu lassen, das nicht mit der Wahrheit übereinstimmt“, sagte Sarkozy dem Fernsehsender TF1 und dem Radiosender Europe1. „Es werden gerade Dinge organisiert. Die Franzosen müssen sie kennen und mit ihrem Gewissen und in aller Freiheit darüber urteilen, was Sache ist.“
„Groteske Vorwürfe“
Die Vorwürfe gegen ihn wies der 59-Jährige in dem Interview – seinem ersten überhaupt seit seiner Abwahl 2012 – als „grotesk“ zurück. Fast 15 Stunden war der 59-Jährige am Dienstag im Polizeigewahrsam verhört worden – eine Premiere für ein früheres französisches Staatsoberhaupt. Dann wurde in der Nacht zum Mittwoch gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bestechung eines Staatsanwalts an Frankreichs Oberstem Gerichtshof eingeleitet. Sarkozy soll versucht haben, von dem leitenden Staatsanwalt Gilbert Azibert illegal Informationen über ein laufendes Verfahren zu erhalten, das ihn betrifft. Azibert soll im Gegenzug ein Posten in Monaco versprochen worden sein. Sein Anwalt Thierry Herzog habe ihn zwar gebeten, sich in Monaco für den Staatsanwalt einzusetzen, sagte der frühere Präsident. Das habe er aber nicht getan und der Jurist habe dort auch keinen Posten bekommen. „Wo ist also die Korruption?“, fragte Sarkozy. Er habe nie gegen „die republikanischen Prinzipien oder den Rechtsstaat“ verstoßen.
Sarkozy ging im Interview in die Offensive. Er kritisierte eine „politische Instrumentalisierung eines Teils der Justiz“ und forderte indirekt die Ablösung einer der beiden Untersuchungsrichterinnen von dem Fall, die in einer linken Richtervereinigung tätig ist. Jeder habe das Recht auf einen „unparteiischen Richter“, sagte Sarkozy. Er werde Initiativen ergreifen, kündigte er mit Blick auf eine mögliche Beschwerde an.
„Keine doppelte Abrechnungen“
Dem sozialistischen Premierminister Manuel Valls und Justizministerin Christiane Taubira warf er vor, über ihr Wissen zum Abhören seines Telefons „gelogen“ zu haben. Erstmals äußerte sich Sarkozy auch öffentlich zu einer weiteren Affäre, die derzeit seine konservative Partei UMP erschüttert und in der ebenfalls Ermittlungen der Justiz laufen. Dabei geht es um die Finanzierung seines Präsidentschaftswahlkampfes 2012. Sarkozy soll das gesetzlich vorgeschriebene Limit um Millionen Euro überzogen haben, die falsch ausgestellten Rechnungen soll die Partei bezahlt haben. „Es geht nicht um meinen Wahlkampf“, versicherte er. Es habe „nie ein System doppelter Abrechnungen“ gegeben.
Von einem „Schock“ und einer „katastrophalen“ Affäre für Sarkozy sprach die Tageszeitung „Le Monde“ am Mittwoch. Das Sarkozy-Lager blies schnell zum Gegenangriff und attackierte insbesondere eine der beiden Untersuchungsrichterinnen: Ex-Ministerin Nadine Morano bezichtigte die Juristin Claire Thépaut, die einer als linksgerichtet geltenden Richtervereinigung angehört, „parteiisch“ zu sein. Sie müsse von dem Fall abgezogen werden. Parteigrößen von Sarkozys konservativer UMP hielten sich aber auffällig zurück. „Ich denke in Freundschaft an Nicolas Sarkozy“, twitterte etwa Ex-Regierungschef Alain Juppé, der bei der Präsidentschaftskandidatur 2017 ein innerparteilicher Rivale Sarkozys werden könnte. „Ich wünsche, dass seine Verteidigung seine Unschuld beweisen wird.“
Ungünstiger Zeitpunkt
Das Ermittlungsverfahren kommt für Sarkozy zu einem höchst ungelegenen Zeitpunkt: Zuletzt hatten sich die Anzeichen verdichtet, dass der 59-Jährige sich im Spätherbst zum Vorsitzenden seiner von innerparteilichen Grabenkämpfen und Skandalen geschwächten UMP wählen lassen wollte – ein perfektes Sprungbrett für die Präsidentschaftswahl 2017.
Doch innerhalb seiner Partei wachsen die Vorbehalte, zu sehr schaden die zahlreichen Affären Sarkozys Image. Dass ein Politiker, gegen den ein formelles Ermittlungsverfahren wegen Korruption läuft, Parteichef werden könnte, halten viele für undenkbar. Zumal ihm mit Blick auf die Präsidentschaftswahl 2017 Unwählbarkeit droht, sollte er tatsächlich vor Gericht gestellt und verurteilt werden. In diese Kerbe schlägt auch die rechtsextreme Front National, die von der Misere der Konservativen profitiert und bei den Europawahlen im Mai erstmals stärkste Kraft in Frankreich wurde. „Der Mythos einer möglichen Rückkehr von Nicolas Sarkozy muss aus der Welt geschaffen werden“, sagte Partei-Vize Florian Philippot am Mittwoch. Sarkozy solle „aus Anstand und Realismus selber bekanntgeben, dass er nicht mehr in die französische Politik zurückkehren will“. Davon aber will Sarkozy nichts wissen. Er zeigte sich am Mittwochabend kämpferisch – und begann seinen Kampf um die Deutungshoheit. „Ich bin nicht jemand, der sich durch Niederträchtigkeiten und politische Manipulationen entmutigen lässt“, sagte Sarkozy. Er werde „nach einer Zeit des Nachdenkens“ Ende August oder Anfang September über eine Rückkehr in die Politik entscheiden müssen. Seinem Land gegenüber habe „man keine Rechte, man hat Pflichten“.
Auch wenn das Ermittlungsverfahren ein schweren Schlag ist, seinen politischen Tod bedeutet es noch nicht: In der sogenannten Bettencourt-Affäre war im März 2013 ebenfalls ein Ermittlungsverfahren gegen Sarkozy eingeleitet worden. Es wurde sieben Monate später eingestellt – aus Mangel an Beweisen.
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