Der „Abwaschprozess“

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Völlig überraschend für die vier Angeklagten ist am Montag der Prozess gegen sie wegen "Degradierung von öffentlichen Monumenten" zu Ende gegangen. Er wurde vertagt.

„Wir haben mit der Niederschlagung des Prozesses gerechnet“, sagt Lars Schmitz, Mitglied der Gruppe Richtung 22. Neben ihm saßen Mitglieder von den „Jonk Lénk“, „déi jonk gréng“ und der Studentenvereinigung UNEL auf der Anklagebank. Die Anklage lautet: Degradierung von öffentlichen Monumenten (Paragraf 526 Code pénal)

Der Prozess wurde vertagt, weil die Staatsanwaltschaft nun in einem Gutachten klären will, ob die damals verwendete Kreide abwaschbar ist oder nicht.

Neue Nationalhymne

In der Nacht vom 22. auf den 23. Juni 2015 hatte das Künstlerkollektiv Richtung 22 mit sprühfähiger Kreide eine neue Textversion der Nationalhymne auf dem Platz vor der Philharmonie angebracht. Es sollte eine „Überraschung“ für die Festredner am Nationalfeiertag werden. Ihnen hatten sich andere Gruppen angeschlossen, von denen jetzt je einer mit auf der Anklagebank sitzt.

Die Polizei störte damals die Aktion und forderte die Aktivisten auf, die Buchstaben mit Wasser zu beseitigen. Erste Spuren waren auch schon weggeputzt, das ist im Polizeibericht von damals vermerkt, als die herbeigerufene Feuerwehr mit Ölbindemitteln anrückte. Sie waren wegen unerlaubter „Graffiti“ gerufen worden, die normalerweise mit Lack angebracht werden.

Beweise liegen auf der Hand

„Ich weiß nicht, ob sie jetzt verschiedene Regenarten testen wollen“, mutmaßt Schmitz, der hinter alledem den Versuch vermutet, die Affäre hinauszuzögern, um sie irgendwann fallen zu lassen. Am Freitag erst hatte es ein Solidaritäts-Kreidemalen an den Rotondes gegeben. „Danach hat es geregnet und nun ist alles weg“, sagt Schmitz, „da kann man schauen gehen“.

Die Polizei wusste von dieser Aktion, denn laut Schmitz gab es am Freitag telefonische Nachfragen der Beamten bei den Rotondes. Sie sollten klären, ob die neuerliche Aktion abgesprochen sei und ob die Kulturinstitution sich dadurch gestört fühle. Das bestätigt Rotondes-Pressesprecherin Véronique Kesseler auf Nachfrage von tageblatt.lu.

„Man könnte das als Einschüchterungsversuche werten“, spekuliert Schmitz, „das steht aber der Kunst- und Meinungsfreiheit in diesem Land entgegen“. Richtung 22 ist ein Künstlerkollektiv. Ein neuer Termin steht nicht fest, wann das Gutachten fertig sein wird ebenfalls nicht.

Siehe auch unsere Printausgabe S. 52