Den Griechen reicht es

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Es stinkt, es qualmt, es dröhnt - wütende Griechen verwandeln das Zentrum ihrer Hauptstadt in eine Kampfzone. Die Menschen sind es leid, immer neue Entbehrungen zu schultern. Sie machen gegen die Regierung mobil.

Griechenland versinkt im Müll, durch die Hauptstadt ziehen Schwaden aus Tränengas, Brandsätze explodieren. Ein Land im Ausnahmezustand. Die Gewerkschaften machen Druck auf die sozialistische Regierung. Kampflos wollen die Staatsbediensteten ihre Privilegien nicht opfern – was sie immer damit anderen Landsleuten und letzten Endes ihrem Land antun werden. Sie sind empört und sprechen von „Politiker-Dieben, die uns das Geld gestohlen haben“.

Auf dem zentralen Syntagma-Platz in Athen eskalierte die Lage am Mittag: Mehrere hundert teils vermummte Demonstranten lieferten sich Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die Krawallmacher schleuderten Brandsätze auf Einsatzkräfte, legten Brände in Mülleimern und zündeten einen Kiosk an. Zudem versuchten sie, den Eingang des Parlamentes zu erreichen und das Gebäude zu stürmen. Die Polizei antwortete mit Schlagstöcken.

Angehörige fast aller Berufsstände machen gegen die Regierung mobil: Nun schließen sich Apotheker, Händler, Taxi- und Lastwagenbesitzer, Kleinunternehmer dem Streik an. Sie beklagen, dass sie hart sparen und immer mehr Steuern zahlen müssen, der Staat am Ende doch weiter nur Defizite produziert.

200.000 Menschen

Die Demonstrationen mobilisieren die Massen: 200.000 Menschen versammelten sich nach Schätzungen der Gewerkschaften im Zentrum Athens. 70.000 Demonstranten schätzte die Polizei. „Wir können es nicht mehr ertragen. Sparen und sparen und kein Licht am Ende des Tunnels in Sicht“, sagte ein Teilnehmer der Proteste. Man fühle sich als „Versuchskaninchen“ von Europäischer Union, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank.

Ein anderer Demonstrant klagte, die Rezession führe zu immer geringeren Steuereinnahmen, dann würden wieder neue Steuern verhängt: „Dann fängt das Ganze noch einmal von vorne an. Das nennt sie (die Troika) Finanzpolitik. Eine Katastrophe ist das.“

Chaoten

Nicht alle bleiben in ihrem Zorn friedlich. Immer wieder randalieren auch Chaoten. Sie greifen zu Brandflaschen und lassen einen Hagel von Steinen auf Polizisten niedergehen. Diese antworten mit Tränengas-Salven. Das Zentrum Athens verwandelte sich am Mittag in einem Ort des Schreckens. Tausende Menschen flohen in Panik durch die engen Gassen.

Aber auch in dieser explosiven Lage fand Regierungschef Giorgios Papandreou markige Worte für die Streikenden: „Wenn Sie das Land zersetzen, dann wird es kein Geld für die Renten und Löhne geben.“ Ein Problem bleibt, dass sich die Politikerkaste des Landes mehr mit sich selbst als mit den drängenden Problemen des Landes beschäftigt. Von Eintracht keine Spur, wie sich am Dienstag und Mittwoch wieder einmal zeigte.

Treffen

Papandreou traf sich mit dem konservativen Oppositionschef Antonis Samaras. Die Mienen waren versteinert. Samaras war nach Informationen aus seinem Umfeld beleidigt, weil Papandreou bei einer Rede die gegnerische Partei Nea Dimokratia für einen Teil der Krise verantwortlich gemacht hatte. Kalten Blickes gab er Papandreou die Hand und erklärte, er könne nicht mit jemanden zusammenarbeiten, der ihn schlecht mache.

Aber auch Papandreou leistete seinen Teil zur miesen Stimmung. Er hatte Samaras fast zwei Stunden warten lassen, weil er es vorzog, eine Rede vor Abgeordneten seiner Partei zu halten. Die Presse bemerkte spitz, das Land rücke mit jeder Minute dem Bankrott näher, aber kein Politiker spreche darüber.

Neuwahlen würden wahrscheinlicher, meinen politische Kommentatoren. Vielleicht gebe es nach Wahlen eine Chance, den Gordischen Knoten zu zerschlagen. Umfragen deuten darauf hin, dass die Griechen keiner Partei die Mehrheit geben. Dann müssten auch politische Erzfeinde zusammenarbeiten – im Interesse des Landes.