Deeskalation statt Überreaktion

Deeskalation statt Überreaktion
(AFP)

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Beim Gipfel in Wales wird angesichts der Krise in der Ukraine ein deutliches Zeichen von der NATO erwartet. Die luxemburgischen Minister warnen jedoch davor, Entschlossenheit mit Provokation zu verwechseln.

Seit dem Konflikt zwischen der Ukraine und Russland hat das Nato-Militärbündnis wieder an Bedeutung gewonnen und will sich auf seinen Kernauftrag fokussieren: die territoriale Integrität seiner Mitglieder zu schützen.

Der Luxemburger Premier Xavier Bettel scheint sich dem Motto „deeskalieren statt provozieren“ verschrieben zu haben. Auf Nachfrage des Tageblatt wollte Bettel sich gestern nicht zu einer Verstärkung der Präsenz der NATO in Osteuropa bekennen. Er sei „weder für eine höhere, noch für eine niedrigere Präsenz“.

„Politik des Dialogs“ treu bleiben

Für ihn zähle einzig die „Deeskalation der Krise in der Ukraine“, die demzufolge laut Bettel nicht auf einer neuen NATO-Infrastruktur im Osten Europas beruht.

Laut dem Luxemburger Premier kann in diesem Konflikt nur auf Basis eines Dialogs eine Lösung gefunden werden. Dennoch wird die NATO höchstwahrscheinlich auf die Bitten der baltischen Staaten eingehen. Seit Moskau die bis dahin zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim annektiert hat, fürchten sich besonders Estland, Lettland und Litauen, aber auch Polen und Rumänien vor dem Vorgehen Russlands und bitten die NATO um Beistand.

Das Militärbündnis wird höchstwahrscheinlich hierauf reagieren und neue Beschlüsse fassen. Die Kernpunkte des neuen NATO-Aktionsplans für Osteuropa sollen laut dem NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen aus einer dauerhaften und „sichtbaren“ Präsenz in Osteuropa bestehen.

Auch wenn extreme Forderungen einiger NATO-Mitgliedstaaten, allen voran Estland, Lettland und Litauen, die NATO-Russland-Gründungsakte zu kündigen, wenig Chancen haben, sich durchzusetzen, soll das Vorhaben der NATO dennoch den Ausbau der Militär-Infrastruktur und zumindest eine temporäre Verlagerung militärischer Ausrüstung nach Osteuropa mit sich bringen.

So sollen Militärbasen in den drei baltischen Staaten, Polen und Rumänien vorgesehen sein. Außerdem soll eine neue Eingreiftruppe mit 4.000 Mann entstehen, die im Krisenfall innerhalb von maximal zwei Tagen vor Ort und kampfbereit sein soll.

Damit würde die NATO erstmals seit dem Beitritt früherer Mitgliedstaaten des Warschauer Pakts eine deutliche Präsenz an der Ostgrenze aufbauen. Trotz dieses Vorhabens des Militärbündnisses bleibt Xavier Bettel davon überzeugt, dass die Diplomatie im Ukraine-Konflikt „nicht an ihre Grenze gestoßen ist“. Dieser Konflikt sei sehr unübersichtlich – „jeden Tag gibt es neue Nachrichten, die sich überschlagen“ –, gerade deshalb solle man vorsichtig vorgehen.

Militärmanöver mit Luxemburger Soldaten

Der Luxemburger Außenminister Jean Asselborn schloss sich Bettel an. Eine „Überreaktion“ vonseiten der NATO müsse unbedingt vermieden werden. Er habe auch den Eindruck, dass dies bei diesem NATO-Gipfel verstanden wurde. Niemand habe eine Mitgliedschaft der Ukraine gefordert, was „ein wichtiges Zeichen für Russland“ sei.

Auch die angestrebte Waffenruhe in der Ostukraine werde von der NATO unterstützt. Asselborn ließ durchblicken, dass er den Eindruck habe, dass sowohl die NATO als auch Russland sich „ehrlich bemühen“, um eine friedliche Lösung für den Ukraine-Konflikt zu finden.

Dennoch dürfe man laut dem Luxemburger Außenminister nicht vergessen, dass Russland mit der Annexion der Krim internationales Recht gebrochen und die Ostukraine destabilisiert habe.

Auch wenn eine militärische Intervention gegen Russland nicht in Frage käme, müsse man unter bestimmten Umständen Sanktionen gegen Russland verhängen, „nicht um das Land zu bestrafen, sondern um es unter Druck zu setzen“.

Der Luxemburger Minister für Innere Sicherheit und Verteidigung, Etienne Schneider, vertritt dieselbe Philosophie wie Jean Asselborn und Xavier Bettel. Auch Schneider will eine Provokation Russland gegenüber vermeiden und strebt „eine diplomatische Lösung des Ukraine-Konflikts“ an. Trotzdem bestand Etienne Schneider darauf, dass die NATO entschlossen auftreten müsse. Aus diesem Grund werde Luxemburg sich an einem NATO-Militärmanöver in Litauen beteiligen, wobei Schneider betonte, dass es sich „nur um eine temporäre Militärpräsenz“ handele, auf keinen Fall sei „eine dauerhafte Präsenz in Osteuropa das Ziel“.

Letztlich wies der Luxemburger Premier Xavier Bettel darauf hin, dass man den Einfluss Luxemburgs nicht überschätzen dürfe. Auf bilateraler Ebene könne das Großherzogtum „wenig bewegen“. Auf multinationalem Niveau werde man aber seiner „Politik des Dialogs“ treu bleiben.