/ Das Parlament fährt mit der Tram

Hinter der Nummer 6626 verbirgt sich die Schaffung einer 7,5 km langen Tramlinie von der Luxexpo auf Kirchberg zum Hauptbahnhof. Der Betrieb dieses ersten Abschnitts ist 2017 geplant. Ab 2020 dann sollen die Verlängerungen Richtung Findel und Cloche d’Or in Betrieb gehen. Das Projekt, das am Mittwoch zur Abstimmung stand, war von der CSV-LSAP-Regierung auf den Instanzenweg gebracht worden. Die Gambia-Koalition übernahm das vom ehemaligen Infrastrukturminister Claude Wiseler (CSV) vorgestellte Projekt, änderte es aber teilweise ab. Kostenpunkt der Projektes: 550 Millionen Euro. Zwei Drittel davon werden vom Staat, ein Drittel von der Gemeinde Luxemburg übernommen.
Die hauptstädtische Tram ist umstritten. Die Diskussionen dauerten 25 Jahre. Mehrere Projekte hatten in der Vergangenheit zur Diskussion gestanden, zum Beispiel das hybride Train-Tram-Konzept nach Karlsruher Modell. Durchsetzen konnte sich das Tram-Projekt, wie es am Mittwoch die Abgeordneten diskutierten. Laut einer TNS-ILReS-Studie befürworten über 70 Prozent der Befragten die Tram.
Die Tram, wie Phönix aus der Asche
Berichterstatterin Josée Lorsché (Déi gréng) erinnerte bei der Vorstellung des Projektes an die ehemaligen Tramlinien in Luxemburg (1875) und in Esch/Alzette (1927), die dem Individualverkehr zum Opfer fielen. Seit einigen Jahren würde der öffentliche Nahverkehr jedoch wieder hoch im Kurs stehen – mit der Wiederbelebung der Tram. Lorsché sparte bei der Vorstellung der Tram nicht mit technischen Details.
Der CSV-Redner und ehemalige Verkehrsminister Claude Wiseler wies, wie alle anderen Redner, auf die Wichtigkeit der Tram hin. Sie sei hinsichtlich der demographischen Entwicklung und des Ausbaus von Luxemburg-Stadt als Wirtschaftsstandort notwendig.
Der Ex-Minister betonte aber, dass man es nicht bei der Tram belassen darf. Die Mobilität sei eine landesweite Herausforderung. Er forderte, dass auch die Busverbindungen weiter verbessert werden. Die Buskapazitäten seien nicht ausreichend. Man braucht des Weiteren mehr Auffangparkplätze und mehr Haltestellen für Bus, Zug und Tram, so Wiseler. Kritik äußerte Wiseler auch, was die Finanzierung der großen Verkehrsprojekte betrifft. Könne man sie alle in so kurzer Zeit finanzieren?, fragte der ehemalige Minister. Man soll mit allen betroffenen Akteuren sprechen, um Probleme zu vermeiden, warnt Wiseler.
Fragen bleiben
Über die Tram sagte Claude Wiseler, dass er noch Zweifel habe, was die Zuverlässigkeit der vielgepriesenen neuen Technologien bei den Oberleitungen betrifft. Fragen hat Wiseler auch, was die Inbetriebnahme eines Teilstücks schon 2017 anbelangt. Wäre es nicht sinnvoller die ganze Strecke zuerst fertigzustellen? Auch bei den Kompensierungsmaßnahmen bestehe noch Klärungsbedarf.
Der CSV-Politiker sagte, seine Fraktion werde für das Projekt stimmen. Er wies die Kritiken zurück, die in den letzten Tagen geäußert wurden und die der CSV unterstellten, gegen die Tram zu sein. Die CSV sei für das Projekt. Nur die Art und Weise, wie die Petitionäre der Tram behandelt wurden, sei nicht gut gewesen. Sie seien nicht richtig angehört worden. Die Fraktionen müssten mehr Zeit erhalten, um sich eine Meinung zu bilden. Deshalb habe man sich beim Votum über den Kommissionsbericht vergangene Woche enthalten.
Eine Chance für die Hauptstadt
Roger Negri (LSAP) machte eingangs klar, dass die Sozialisten für das Projekt stimmen werden. Die Tram werde das Stadtbild verändern und ähnlich der Fußgängerzonen zur Steigerung der Lebensqualität beitragen. Sorgen über eine Anbindung von bestehenden Verkehrslinien an die Tram brauche man sich keine zu machen. Der Gestehungspreis der Tram sei nicht zu hoch, so Negri, der aber ein enges Monitoring der Kosten fordert.
Es schmerze ihn, wenn er an die Abholzung von einigen Hektar Bäumen im Gréngewald denke, um das Wartungszentrum der Tram zu bauen. Wäre eine Zusammenarbeit mit der CFL in dieser Frage nicht wünschenswert gewesen, fragt Negri? Sein LSAP-Kollege Franz Fayot verteidigte das Projekt. Es sei an der Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen, denn viele Menschen würden sich fragen, warum die Tram nicht schon längst fährt. Wie die Redner der DP und von „déi gréng“ begrüßte Fayot, dass das ganze Land beim Projekt mitredete.
Viviane Loschetter (déi gréng) ist Feuer und Flamme für das Tram-Projekt. Es sei schon lange von den Grünen angeregt worden, so Loschetter, die es sich nicht nehmen ließ, das Projekt Punkt für Punkt zu analysieren.
Nur ein Teil eines Ganzen
Gusty Grass (DP) haute in die selbe Kerbe wie sein CSV-Kollege Claude Wiseler. Die Tram müsse nur ein Teil eines Ganzen sein. Er forderte in diesem Zusammenhang unter anderem eine bessere Förderung der sogenannten „mobilité douce“ (Fußgänger, Radfahrer). Wie Claude Wiseler warnte er, die demographische Entwicklung und die Erhöhung der Zahl der Pendler nicht zu unterschätzen. Lydie Polfer (DP), Bürgermeisterin der Stadt Luxemburg, machte einen historischen Exkurs in die Entstehung des Tram-Projektes. Sie betonte, die Stadt Luxemburg hätte schon lange für den öffentlichen Transport und die Tram gekämpft und zeigte sich zufrieden, dass sie endlich komme. Kritiken über etwaige Belästigungen wiegelte sie ab.
Roy Reding (adr) sagte, es seien bei der Debatte bisher viele richtige Fragen gestellt, aber viele falsche Antworten gegeben worden. Busse seien die geeignesten Verkehrsmittel für die Stadt, so Reding. Die Tram bedeute nur häufigeres Umsteigen und den totalen Verkehrsinfarkt der Hauptstadt. Die Tram habe nur als Ziel, den Verkehr in der Hauptstadt derart zu behindern, dass die Autofahrer sich nicht mehr dort reintrauen. Die adr plädiert noch immer für das Schummer-Projekt. Der Luxemburger Ingenieur schlug eine Nord-Süd Eisenbahntunnellinie vor, die ab Eich unter dem Limptersberg, dem Stadtzentrum, dem Plateau St.Esprit-Grund zum Hauptbahnhof führt.
Für Justin Turpel (Déi Lénk) stellt die Tram ein modernes Verkehrsmittel dar, das die Lebensqualität in der Hauptstadt erheblich verbessert. Das Projekt hätte jedoch schneller realisiert werden können, moniert Turpel. Auch die Tatsache, dass die CFL nicht enger in das Projekt eingebunden wurde stört „Déi Lénk“.
Seilbahn kann gebaut werden
Infrastrukturminister François Bausch („déi gréng“) machte den Appell, für das Projekt zu stimmen. Er erklärte unter anderem, die Zahl der Einwohner und Pendler steige schneller als vorhergesagt. Man müsse die Tram endlich verwirklichen, wenn man das Modal-Split öffentlicher Verkehr – Individualverkehr 25-75 erreichen will. Neben der Tram würden etliche andere Projekte in diesem Sinn realisiert, wie der Gleisausbau bei der CFL, Straßenbauprojekte und der Ausbau der regionalen Busdienste. Auch über die Finanzierung des öffentlichen Transports muss diskutiert werden, so Bausch.
Am Mittwoch wurde dann ebenfalls der Schaffung des Haltepunkts „Pont Rouge“ und dem Bau einer Standseilbahn zum Kirchberg (Gesetzentwurf 6684) zugestimmt. Das Projekt bindet die klassische Eisenbahn in das MoDu-Konzept ein. MoDu („mobilité durable“) und die beiden Gesetzprojekte wurden noch vom ehemaligen Nachhaltigkeitsminister Claude Wiseler (CSV) auf den Instanzenweg gebracht, von der neuen Regierung aber zum Teil überarbeitet.
Der Gesetzentwurf über die Schaffung der Tram wurde mit 56 Ja-Stimmen, drei Nein-Stimmen und einer Enthaltung angenommen. Der CSV-Parlamentarier begründete seine Enthaltung mit dem mangelnden Interesse, das die Regierung der Verkehrslage im Norden des Landes entgegenbringt. Die Seilbahn erhielt 57 Ja-Stimmen.
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