Das Land der Steuern und der Abgaben

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(dpa)

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Die Steuerpolitik von François Hollande steht in der Diskussion. Das Staatsdefizit glich die französische Regierung bisher auf eine für das Land klassische Weise aus. Sie erhöhte die Steuern.

Außenminister Laurent Fabius hat einen Sonderstatus in der französischen Regierung. Er war in den 80er Jahren Premierminister des Landes, er war Vorsitzender der sozialistischen Partei. Er war in zwei Legislaturperioden Präsident der Nationalversammlung und er war Wirtschafts-, Finanz- und Industrieminister. Heute ist Außenminister Frankreichs. Laurent Fabius ist die graue Eminenz der Regierung. Vor einigen Monaten griff er Wirtschafts- und Finanzminister Pierre Moscovici an, weil der „seinen laden nicht im Griff habe“. Der Hintergrund: Moscovici ließ Arnaud Montebourg laufen, der als Minister für die Rettung industrieller Arbeitsplätze Amok lief und Brüssel Deutschland gleich im Zweierpack angriff. Montebourg ist seitdem merklich ruhiger geworden. Die französische Presse mag Fabius. Der Minister ist unaufgeregt und äußert sich zu anderen Ministerien immer nur gezielt.

Mit seiner jüngsten Äußerung stand Fabius an der Seite des von ihm früher kritisierten Wirtschafts- und Finanzministers. Moscovice hatte unmittelbar vor der Sommerakademie der Sozialisten verlauten lassen, dass man die Misstimmung der Franzosen nicht unterschätzen dürfe, „die die Nase voll hätten von der Steuerlast“. Fabius stellte sich demonstrativ an die Seite seines Ministerkollegen. Man dürfe es mit den dauernden Steuererhöhungen nicht übertreiben, meinte er und verlieh einer neuen Steuerdiskussion in Frankreich besonderes Gewicht.

Fleißige Steuerbeamten

Es gehört zu den Besonderheiten der Regierungskoalition aus Sozialisten und Grünen in Frankreich, dass nur einen Tag vor der Sommerakademie der Grünen Umweltminister Philippe Martin eine neue Umwelt/Klimasteuer ankündigte. Der Effekt, den Fabius und Moscovici erzielen wollten, Ruhe an der Steuerfront zu bewirken, verpuffte völlig. Die Sozialisten saß ratlos in ihrer Sommerakademie in der atlantischen Hafenstadt La Rochelle.

Die Aussagen beider Minister zu diesem Zeitpunkt waren nicht unschuldig. Während Ende August noch ein großer Teil der Franzosen die Feriengebiete bevölkerte und zum Leidwesen von Hotel- und Gastronomie-Gewerbe weniger Geld ausgab, bereiteten in den Finanzämtern Frankreichs die Beamten die Versendung der Steuerbescheide 2013 vor. Frankreich hat seit Jahren nach und nach das deutsche und luxemburgische System eingeführt. Die Lohn/Einkommenssteuer wird zwar nicht bei den Unternehmen monatlich einkassiert, sondern in monatlichen Abschlagszahlungen beim Steuerbürger. Wer sich diesem System nicht angeschlossen hat, erhält nun als erster seinen Steuerbescheid und wird dort saftige Erhöhungen feststellen. Bis zu 1.000 Euro bezahlt der Franzose für alles mehr, was da 2012 und 2013 an Erhöhungen beschlossen wurde. Insbesondere der gutsituierte Mittelstand wird mit einer neuen Steuer-Tranche von 45 Prozent gequält. Wer zwischen 71.000 und 150.000 Euro verdient, darf 41 Prozent bezahlen. Über 150.000 Euro fallen 45 Prozent an. Und Manager, die über eine Million verdienen, werden mit 75 Prozent zur Steuerkasse gebeten. Allerdings zahlen hier die Unternehmen die Steuer. Das gilt übrigens auch für Fußballstars.

Hohe Lokalsteuern

Moscovici und Fabius wollten angesichts der zu erwartenden Unmut beim Eintreffen der Steuerbescheide eine unnötige Diskussion vermeiden. Ihr Ministerkollege machte ihnen einen dicken Strich durch diese Strategie. Denn: Bei der Erhöhung der Steuern bleibt es nicht. Franzosen müssen auch eine 13. Miete zahlen, wenn sie zur Miete wohnen: Die so genannte Wohnsteuer, die ihnen die Städte als lokale Steuer aufbrummen. Die hängt in der Regel von der Größe der Stadt, vom Reichtum oder der Verschuldung ab. Die Stadt Metz zum Beispiel hat gerade den Sparstrumpf, den der ehemalige Bürgermeister Jean Marie Rausch gut gefüllt hatte, mit einem diskussionswürdigen Transportsystem namens „Mettis“ geleert. Das heißt: Zukünftige Investitionen müssen per Schulden finanziert werden. In der Normandie hat die Kreisstadt Pontorson gerade einen Kredit über zwei Millionen Euro aufgenommen, um eine Mediathek zu finanzieren. Der Kredit läuft über 20 Jahre. In beiden Fällen wissen die Bürger, was nach den Kommunalwahlen im Frühjahr 2014 auf sie zukommen wird: Erhöhungen der Lokalsteuern.

Da sind aber zusätzlich noch die Départements, die ebenfalls finanziert werden müssen und in die Geldbörsen der Franzosen langen. Hier hat die französische Regierung gerade eine Erhöhung der Notargebühren verfügt, die dann in die Kassen der Départements fließen soll.

Neue Ideen für höhere Steuern

Es gibt in Frankreich Steuern, die man nicht so einfach erklären kann. Der ehemalige Präsident Chirac hatte einst die Idee, die Sozialversicherung umzustellen und durch eine einheitliche Abgabe – die allgemeine Sozialabgabe (CSG) – finanzieren zu lassen. Das Parlament sollte den Abgabensatz für die CSG jedes Jahr festlegen. Aus der Idee wurde nichts. Die CSG aber gibt es. Derzeit diskutiert die Regierung, sie für die Rentenreform anzuheben. Nimmt man außerdem die Mehrwertsteuer hinzu, die am 1. Januar 2014 um 0,4 Prozentpunkte auf 20 Prozent angehoben wird, dann kommt Frankreich bei Abgaben und Steuern auf einen Satz von 46 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das heißt: Fast jeder zweite Euro, den Arbeitnehmer und Unternehmen in Frankreich erwirtschaften, geht in irgendeiner Weise an den Staat. Damit ist Frankreich Europameister bei Steuern und Abgaben.

Selbst die Einsicht, dass das nun langsam genug sein sollte, ist nicht mehr als ein Lippenbekenntnis. Im kommenden Jahr will Frankreich 1,5 Milliarden Euro einsparen, aber sechs Milliarden durch höhere Abgaben einnehmen. Darin ist die von Umweltminister Martin genannte Umweltsteuer noch nicht enthalten. Zwar wiegeln derzeit alle Minister ab, verweisen darauf, dass man eine vorhandene Abgabe umfunktionieren könne, aber daran glauben nur noch eingefleischte Sozialisten in Frankreich. Denn neue Ideen für höhere Steuern sind schon da. Die Stimmen mehren sich, dass man die Dieselsteuer anheben müsse. Wenn man weiß, dass Frankreich das Land der Dieselmotoren ist, mag man die Sprengkraft dieser Idee ermessen.

Der Währungskommissar der Europäischen Union, Olli Rehn, hat am Sonntag in der Zeitung „Journal du Dimanche“ (JDD) Frankreich gewarnt. Die Kommission und die Mitgliedsländer in der Europäischen Union hätten Frankreich zwei zusätzliche Jahre gegeben, um die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Das könne nicht nur durch Erhöhung der Steuern geschehen. Frankreich müsse auch an die Ausgaben herangehen. Rehn wiederholt, was zuvor schon Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds, der französischen Regierung ins Stammbuch geschrieben hatte. Die war vor Pierre Moscovici Wirtschafts- und Finanzministerin und kennt die Situation. Nur scheint es, als ob für Sparmaßnahmen irgendwie der Mut fehlt.