/ "Das kommt uns nicht ins Haus"
An dem Anbau von Genpflanzen scheiden sich die Geister. Aufgrund des Widerstands in zahlreichen Staaten wollen die EU-Umweltminister am Donnerstag in Luxemburg nationale Anbauverbote für Pflanzen erleichtern, die in der EU zugelassen sind. Ein Überblick über die aktuelle Lage, die wichtigsten Änderungen – und die Kritik daran.
Was sind die Vor- und Nachteile von Gentechnik?
Die Hersteller verändern Pflanzen wie Mais im Labor etwa so, dass sie gegen Unkrautvernichtungsmittel oder Schädlinge resistent sind. Das soll den Landwirten mehr Sicherheit verschaffen und auch die Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln garantieren. Gentechnikgegner kritisieren aber, dass die Ausbreitung der Pflanzen auf andere Felder nicht kontrolliert werden könne und langfristige Folgen der Gentechnik unerforscht seien. Gewarnt wird zudem, dass etwa von manchen manipulierten Pflanzen produzierte Insektengifte auch Bienen oder Schmetterlingen schaden könnten.
Wie wird bisher in der EU über die Zulassung von Genpflanzen entschieden?
Um eine Genpflanze für den Anbau in der EU verkaufen zu dürfen, ist eine Zulassung notwendig. Dafür gibt die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine wissenschaftliche Bewertung ab, in der Gefahren für Umwelt und Gesundheit geprüft werden. Erklärt sie eine Genpflanze für unbedenklich, wird der Antrag den EU-Staaten zur Abstimmung vorgelegt. Sprechen sich diese nicht mit qualifizierter Mehrheit dagegen aus, wird die Anbauerlaubnis erteilt. Und das in der gesamten EU – also auch in den Mitgliedstaaten, die dagegen gestimmt haben.
Kann ein EU-Staat den Anbau einer zugelassenen Genpflanze auf seinem Gebiet verhindern?
Ist die Zulassung auf EU-Ebene erteilt, lässt sich ein nationales Verbot bislang nur schwer erreichen. Ein Staat muss dafür glaubhaft machen, dass er Hinweise auf Gefahren für Umwelt oder Gesundheit durch den Anbau der fraglichen Pflanze hat, die in der ursprünglichen EFSA-Bewertung nicht berücksichtigt wurden.
Wie soll das neue Verfahren ablaufen?
Künftig soll ein Land gleich zu Beginn eines Zulassungsverfahrens fordern können, dass das zuständige Unternehmen in seinem Antrag den Mitgliedstaat ausnimmt. Folgt der Konzern dem Ansinnen nicht und stellt einen Antrag auf Zulassung in allen 28 EU-Staaten, soll der Anbau auf nationaler Ebene verboten werden können. Dafür hat ein Mitgliedstaat nach der Zulassung in der EU zwei Jahre Zeit. Als Begründung soll künftig eine Reihe von Argumenten angeführt werden können, darunter etwa Ziele der Umwelt- und Agrarpolitik oder Gründe der „öffentlichen Ordnung“. Damit können heftige Proteste der Bevölkerung gemeint sein. In der Praxis muss sich zeigen, ob solche Begründungen vor Gericht möglichen Klagen der Konzerne standhalten.
Welche Kritik gibt es?
Greenpeace Luxemburg warnt davor, dass der von der griechischen Ratspräsidentschaft verhandelte Kompromissvorschlag eine Reihe von rechtlichen Schwachstellen enthält und den Staaten keine ausreichende Rechtssicherheit für nationale Anbauverbote von GMOs gibt. Die luxemburgische Regierung wird sich bei der heutigen Abstimmung enthalten.
Greenpeace kritisiert, dass sich die EU-Staaten auf „Ausnahme-Deals“ mit Gentechnik-Firmen einlassen wollen, um den Anbau von GMOs auf ihrem Hoheitsgebiet zu verbieten, anstatt sich für die Reform der europäischen Zulassungsverfahren und der Risikobewertung von Gentech-Pflanzen einzusetzen.
Der Vorschlag leite nicht den Ausstieg aus der Gentechnik ein, sondern bereite Laborgewächsen erst „in großem Stil“ den Weg auf Europas Äcker, kritisiert Harald Ebner, Gentechnikexperte der Grünen im deutschen Bundestag. Ebner fürchtet, dass es zu Absprachen zwischen Staaten und Konzernen kommt nach dem Motto: Ein Unternehmen nimmt ein Land von seinem Zulassungsantrag aus, dafür leistet der Staat keinen Widerstand gegen eine EU-Anbauerlaubnis. „Wenn der vorliegende Entwurf umgesetzt wird, bedeutet das den Anfang vom Ende der Gentechnikfreiheit in Europa“, warnt Ebner. Eine Verabschiedung der Reform gilt EU-Diplomaten zufolge als sicher.
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