China ruft Schnellzüge zurück

China ruft Schnellzüge zurück
(AP/Archiv)

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Nach dem rasanten Ausbau seines Hochgeschwindigkeitsnetzes muss China auf die Bremse treten: Erst verliert der Eisenbahnminister wegen Korruption sein Amt, dann folgt ein Zugunglück mit 40 Toten.

Wegen Sicherheitsmängeln werden 54 chinesische Hochgeschwindigkeitszüge von der neuen Strecke zwischen Peking und Shanghai zurückgerufen. Die Rückrufaktion ist ein weiterer schwerer Schlag für die ehrgeizigen Pläne Chinas zum Ausbau seines heute schon weltgrößten Hochgeschwindigkeitsnetzes. Vor drei Wochen waren bei der Kollision von zwei Zügen in Ostchina 40 Menschen getötet und 191 verletzt worden. Wegen des Unglücks hatte die Regierung diese Woche eine Sicherheitsüberprüfung des gesamten Netzes und eine Verringerung der maximalen Geschwindigkeiten um 50 Stundenkilometer angeordnet.

Vor dem Rückruf hatte der Hersteller China CNR Corporation bereits die Auslieferung dieser neuen Züge vom Typ CRH380BL „wegen Mängeln im automatischen Bremssystem“ eingestellt. Das Modell basiert auf deutscher Schnellzugtechnologie des Siemens-Konzerns. Die Züge werden von dem chinesischen Hersteller in Changchun (Provinz Jilin) und Tangshan (Provinz Hebei) hergestellt, wie die Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. Das Unternehmen meldete die Rückrufaktion am Freitag in einer Mitteilung an der Shanghaier Börse.

Qualitätsmängel beim Zubehör

Die Züge seien so gebaut, dass sie automatisch langsamer werden oder anhalten, wenn Sicherheitsprobleme auftreten. Es gebe aber „Qualitätsprobleme“ mit Teilen, die eingekauft worden seien, sagte der Vizepräsident der Changchun Railway Vehicles Co., Zhao Minghua, laut Xinhua. Aus anderen Quellen hieß es, die Teile seien über chinesische und ausländische Händlern besorgt worden. Durch den Rückruf wird die Zahl der täglichen Verbindungen zwischen Peking und Shanghai von 88 auf 66 reduziert. Das Passagieraufkommen auf der im Juni eröffneten Prestigestrecke war wegen des Unglücks, Verspätungen und der Diskussion über Sicherheitsprobleme ohnehin stark gefallen.

Schwerer Unfall – vermeidbar

Die zurückbeorderten Modelle sind allerdings andere Typen als die nahe Wenzhou kollidierten Züge, die auf kanadischer beziehungsweise japanischer Technologie basierten. Probleme mit Signalsystemen und Blitzschläge waren anfangs als Ursachen für das schlimme Unglück genannt worden. Die Pekinger Zeitung „Jinghua Shibao“ zitierte den ermittelnden Minister für Arbeitsschutz, Luo Lin, die Kollision habe aber auch ernste Managementprobleme enthüllt, die „völlig vermeidbar“ gewesen wären.

Nachdem die Regierung diese Woche alle neuen Bahnprojekte auf den Prüfstand gestellt hatte, verschob die China Railyway Group ihre Pläne für die Herausgabe neuer Aktien mit einem Wert von 6,24 Milliarden Yuan (680 Millionen Euro). Ähnlich hatte der in Hongkong gelistete Hersteller CSR Corporation vergangene Woche schon eine Gesellschafterversammlung zu Plänen, elf Milliarden Yuan (1,2 Milliarden Euro) an Kapital zu beschaffen, auf einen unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft verlegt.

Die Probleme für die chinesische Bahn begannen schon im Februar, als Eisenbahnminister Liu Zhijun wegen Korruption seines Amtes entbunden wurden. Bei der Auftragsvergabe für das Bahnnetz sollen der Minister und leitende Beamte mitkassiert haben. Allein in diesem Jahr waren Investitionen für die Bahn in Höhe von 700 Milliarden Yuan (75 Milliarden Euro) geplant. Wenige Monate später musste das Ministerium gigantische Schulden melden. Das heute mit 8300 Kilometern längste Hochgeschwindigkeitsnetz der Welt sollte nach den ursprünglichen Plänen bis 2020 sogar bis auf 16 000 Kilometer erweitert werden.