Bundestag verabschiedet Mindestlohn

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Die große Koalition stritt kurz, aber heftig um den Mindestlohn. Nun erhielt das Gesetz von SPD-Ministerin Nahles im deutschen Bundestag eine überwältigende Zustimmung.

Nach jahrelangem Kampf der Gewerkschaften hat der Bundestag in Deutschland mit sehr großer Mehrheit einem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde zugestimmt. Der Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) wurde am Donnerstag 89 Prozent der anwesenden Abgeordneten angenommen. Nahles würdigte im Parlament den jahrzehntelangen Einsatz der Gewerkschaften für eine solche flächendeckende Lohnuntergrenze.

Der Mindestlohn gilt grundsätzlich von 2015 an. Er wird ab 2016 alle zwei Jahre überprüft und sieht für Branchen wie Zeitungszusteller und Saisonarbeiter Übergangsfristen bis 2017 vor. Jugendliche unter 18 Jahren sind von der Regelung ausgenommen. Wer einen Langzeitarbeitslosen einstellt, muss ihm erst nach sechs Monaten der Mindestlohn zahlen. Nahles betonte in der abschließenden Beratung ihres Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie, keine Branche werde vom Mindestlohn ausgenommen.

Zoll kontrolliert

Um die Anwendung des Gesetzes ausreichend kontrollieren zu können, soll der deutsche Zoll 1600 neue Mitarbeiter einstellen. Der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn nütze auf dem Papier nichts, er müsse in der Wirklichkeit umgesetzt werden, argumentierte Nahles. Die Lohnuntergrenze sei ein Schritt zu mehr sozialer Gerechtigkeit. Die Wirtschaft kritisierte wiederholt, dass sie die Anhebung der Löhne für 3,7 Millionen Menschen ab 2015 zwischen neun und zehn Milliarden Euro koste.

Der Linken-Abgeordnete Klaus Ernst hatte im Plenum angekündigte, dass sich seine Fraktion bei der Abstimmung enthalten werde. Die Linke verlangte in einem eigenen Antrag einen Mindestlohn von zehn Euro. Von den 601 abgegebenen Stimmen votierten 535 für das Gesetz. Es gab 5 Nein-Stimmen, die alle von der Unionsfraktion kamen. 61 Abgeordnete enthielten sich, davon 59 von den Linken und zwei von der Union. Für das Gesetz war die Mehrheit aller Mitglieder des Bundestages von 316 Stimmen notwendig.

Bundesrat

Am Freitag kommender Woche will sich auch der Bundesrat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause mit dem Gesetz von Nahles befassen. Nachdem der Entwurf bereits im Bundestag Zustimmung auch aus den Reihen der Grünen bekam, wird erwartet, dass er auch in der Länderkammer eine Mehrheit bekommt.

Der gesetzliche Mindestlohn war eines der großen politischen Ziele der Sozialdemokraten, dass sie in den Koalitionsverhandlungen mit den Christdemokraten von Bundeskanzlerin Angela Merkel im vorigen Jahr durchsetzten. Zwar hatte sich CDU-Chefin Merkel im Wahlkampf klar gegen ihn ausgesprochen. Hätte die CDU/CSU auf dieser Position aber beharrt, wäre die große Koalition nicht zustande gekommen.

Arbeitsplätze

Wirtschaftsverbände warnen, dass durch den Mindestlohn Arbeitsplätze verloren gehen, weil sie sich nicht mehr rechnen. Nach Einschätzung des Münchner ifo-Institutes könnte er bis zu 900.000 Stellen kosten. Nahles und die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung versichern dagegen, der Mindestlohn werde keine negativen Auswirkungen haben.

Deutschland ist eines der wenigen europäischen Länder, in denen es noch keinen gesetzlichen Mindestlohn gibt. Bisher kennt Europas größte Volkswirtschaft nur sogenannte Branchen-Mindestlöhne. Diese basieren auf Tarifvereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften, die von der Regierung als allgemeinverbindlich für eine ganze Branche erklärt werden.