Brüssel erhöht Druck auf Polen

Brüssel erhöht Druck auf Polen
(AFP/Janek Skarzynski/AFP)

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Im Streit um unter anderem eine Reform des Verfassungsgerichts in Polen, hat die EU-Kommission gestern den Druck auf die polnische Regierung erhöht.

Die EU-Kommission hat gestern eine neue Etappe in ihrem Rechtsstaatlichkeitsverfahren gegen Polen eingeleitet, indem sie eine Stellungnahme zur Rechtsstaatlichkeit in dem osteuropäischen EU-Land nach Warschau geschickt hat. Brüssel sieht sich erstmals zu einem solchen Schritt genötigt, nachdem monatelange Diskussionen mit der national-populistischen Regierung diese nicht dazu bewegen konnte, ihre Anfang des Jahres beschlossene Reform des Verfassungsgerichts, sowie die Ernennung neuer Verfassungsrichter zu überdenken. Die EU-Kommission sieht darin einen Verstoß gegen rechtsstaaatliche Prinzipien.

„Das Rechtsstaatsprinzip ist einer der Grundpfeiler der Europäischen Union. Es wurden konstruktive Gespräche geführt, die nun in konkrete Schritte zur Behebung der systembedingten Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit in Polen umgesetzt werden sollten“, erklärte Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans gestern in Brüssel, betonte aber gleichzeitig, dass der Dialog mit der PiS-Regierung fortgesetzt werde. Dieser wird vorgeworfen mit ihrer Reform die Unabhängigkeit des Verfassungsgericht sowie dessen Arbeitsweise eingeschränkt zu haben. Das Verfassungsgericht kam am 9. März zur Schlussfolgerung, dass diese Reform verfassungswidrig ist. Die Regierung weigert sich seitdem dieses Urteil zu veröffentlichen, da dieses sonst Rechtskraft erlangt.

Warschau droht Stimmrechtsentzug im Ministerrat

Zudem wurden rechtmäßig von der Vorgängerregierung ernannte Verfassungrichter nicht in ihr Amt eingesetzt. Stattdessen nomminierte die rechtskonservative Regierung unter Beata Szydlo eigene Richter. Schließlich hat die Regierung ein Mediengesetz erlassen, über das sie den staatlichen Rundfunk weitgehend unter ihre Kontrolle gebracht hat. Die EU-Kommission hatte die polnische Regierung wiederholt um Informationen über den Inhalt und den Stand dieses Gesetzes sowie einer Reihe weiterer Gesetzesreformen ersucht, erhielt aber bisher keine Antwort.

Sollte die polnische Regierung weiterhin auf ihrem Standpunkt beharren und nichts an den beanstandeten Reformen ändern, könnten nach weiteren Schritten durch die EU-Kommission Sanktionen gegen Polen verhängt werden, bis hin zum Stimmrechtsentzug im Ministerrat.

Ungarn gegen Sanktionen

Es sei jetzt an der polnischen Regierung „so schnell wie möglich einen konstruktiven Kompromiss für einen Weg aus der Verfassungskrise“ vorzulegen, erklärt der Vorksitzdende der liberalen Fraktion im Europäischen Parlament, Guy Verhofstadt. Die luxemburgische EU-Parlamentarierin Viviane Reding teilte ihrerseits mit: „Da die polnische Regierung ihren autoritären Kurs weiterverfolgt, hat die Hüterin der europäischen Verträge nun Verantwortung übernommen. Das ist weder eine gute Nachricht für die polnische Bevölkerung noch für Europa, aber es stellt einen erforderlichen nächsten Schritt dar. Ich kann nur hoffen, dass diese Stellungnahme den konstruktiven Dialog neu beleben wird.“

Das Rechtsstaatsmechanismus wurde 2014 eingeführt, nachdem die ungarische Regierung unter Viktor Orban Gesetze vom Parlament abstimmen ließ, die gegen die Grundrechte und die rechtsstaatlichen Prinzipien in der EU verstießen. Das mit dem Mechanismus vorgesehene Verfahren sieht vor, dass an dessen Ende die EU-Staaten gemeinsam darüber entscheiden müssen, ob einem Mitgliedstaat das Stimmerecht entzogen wird. Ungarn hat bereits angekündigt, keine solchen Sanktionen gegen Polen zu unterstützen.