Briefträger: „Unerträgliche Arbeitsbedingungen“

Briefträger: „Unerträgliche Arbeitsbedingungen“
(Martine Feller)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die Modernisierung und Liberalisierung der Post sorgt bei den Briefträgern und beim Personal für großen Unmut. Überstunden, Doppeltouren, Schließung von Postfilialen und ungleiche Bezahlung bei gleicher Arbeitsleistung waren die Hauptthemen anlässlich des Nationalkongresses der Briefträgergewerkschaft am Samstag in Walferdingen.

Präsident Raymond Juchem sparte nicht mit der Kritik an der Postdirektion. Der Kongress stand unter dem Motto „Bien-être au travail“ und „Qualité de service“, zwei Kriterien, die es laut Gewerkschaft kaum noch bei der Post gibt. In der Abteilung „Post Courrier“ vergeht kaum ein Tag ohne Überstunden oder doppelte Touren, die die meisten Briefträger zum Teil in ihnen unbekannten Sektoren verrichten müssen.
Die Sortiermaschinen im Briefsortierzentrum seien auch nicht mehr auf dem besten Stand, sehr häufig müssen die Briefträger vor Beginn ihres Turnus die Briefe von Hand sortieren, so der Vorsitzende. In Zeiten von hoher Arbeitslosigkeit fordert die Gewerkschaft das Einstellen von mehr Personal, eine gute Ausbildung und vor allem eine korrekte Bezahlung statt Personalabbau und Überstunden.
Die Situation zwischen den Briefträgern (Staatsbeamten) und den Hilfsbriefträgern (Privatangestellte) ist alles andere als gesund. Obwohl Letztere die gleiche Arbeit wie Erstere erledigen, werden sie schlechter bezahlt. Juchem erinnerte die Postdirektion daran, dass eine bestmögliche Qualität nur mit den notwendigen Investitionen in Personal und Bildung erreicht werden kann.
Kritik erntete die Postdirektion hinsichtlich der Bewertung ihrer Mitarbeiter. Ständig werde mit einer schlechten Benotung gedroht. Doch damit nicht genug, laut Gerüchten würden immer wieder zahlreiche Disziplinarmaßnahmen in die Wege geleitet und es herrsche ein katastrophaler Umgangston gegenüber dem Personal.

Unerträglich Arbeitsbedingungen

Nicht nur die Arbeitsbedingungen der Briefträger seien mittlerweile unerträglich, im Brief- und Paketzentrum seien die Bedingungen nicht besser. Seit zwei Jahren komme es dort immer wieder zu Ausfällen des IT-Materials, es fehle an ergonomisch sinnvollen Einrichtungen, so dass das Personal nicht mehr in der Lage sei, die neuen Anforderungen zu bewältigen.
Ein permanenter Wachstum der Paketbranche, die Verarbeitung nationaler und internationaler Einschreiben, Packup24 und die J+0-Regel sowie neue Auflagen des Zolls würden zu massiven Stresssituationen führen.
Auch an dieser Stelle griff Raymond Juchem die Personalpolitik der Post an. Anstatt auf Interim-Arbeiter zurückzugreifen, solle die Post endlich mehr Personal einstellen. Nur so könne auch die Qualität der Arbeitsbedingungen dauerhaft gesteigert werden.
Seine Kritiken und Vorwürfe galten nicht nur der Postdirektion, auch der Staat als Hauptaktionär müsse seiner Pflicht nachkommen und den Bürgern eine bestmögliche Dienstleistung gewährleisten.

Kritik an Schließung von Postfilialen

Die Schließung von Postfilialen ist der Briefträgergewerkschaft ebenfalls ein Dorn im Auge. Bekanntlich wurden erste Filialen geschlossen, bis spätestens 2025 sollen nur noch 15 im Dienste der Bürger stehen.
Statt eines Abbaus des Filialnetzes fordert Juchem einen Ausbau, auch wenn manche Büros mit eingeschränkten Öffnungszeiten funktionieren müssten. Dabei unterstrich er erneut den Qualitätsdienst für den Bürger, den z.B. ein Tankstellenbetreiber oder ein Verkäufer im Supermarkt nicht bieten könne. Kontraproduktiv aus Sicht der Bürger ist die Verteilung der Dienstleistungen auf unterschiedliche Standorte. Wollte man vor Jahren ein Paket abholen, ein Einschreiben aufgeben und gegebenenfalls noch Geld vom Konto abheben, so war das am gleichen Ort möglich. Heute jedoch müssen die Bürger mehrere Orte aufsuchen, um diese Dienste in Anspruch nehmen zu können. Juchem kritisierte in diesem Zusammenhang die neue Preispolitik von „Post Finance“, die die sozial Schwachen am härtesten treffen würde. Für Finanztransaktionen am Schalter würden z.B. zusätzliche Gebühren anfallen.