Bremsen bei der EU – Gas geben bei der OECD

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In Sachen automatischer Informationsaustausch bremst Luxemburg auf EU-Ebene und drückt auf OECD-Ebene aufs Gas.

In den letzten Wochen und Monaten hat die Europäische Union einige Entscheidungen getroffen, welche die Bankenwelt in Europa und Luxemburg betreffen. So soll der Europäischen Zentralbank in Zukunft eine entscheidende Rolle bei der Kontrolle der Finanzinstitute zukommen. Der automatische Datenaustausch wird für Luxemburgs Banken zur Realität.

Große Kunden flüchten nicht

Über andere Punkte wie zum Beispiel eine Finanztransaktionssteuer wird weiterhin gefochten. Auch mit dem derzeitigen Entwurf eines europäischen Abwicklungsfonds ist nicht jeder zufrieden. Am Montagmorgen hatten sich mit Robert Goebbels (SPE) und Astrid Lulling (EVP) zwei Luxemburger Europaabgeordnete in der „Maison de l’Europe“ in Luxemburg-Stadt vor der Presse versammelt, um einen raschen Überblick über das derzeitige europäische Geschehen und die Auswirkungen auf Luxemburg zu geben.

Beide Politiker unterschiedlicher Fraktionen sind Mitglieder des Ausschusses für Wirtschaft und Währung des Europaparlaments. Ebenfalls anwesend war Jean-Jacques Rommes, der Direktor des Bankenverbandes ABBL.

„Der automatische Datenaustausch ist der Standart von morgen“, erklärrte Jean-Jacques Rommes – und versuchte gleich, zu entschärfen. Wohl liefen den Privatbanken Kunden weg. Aber die Privatbanken machten lediglich ein Sechstel bis ein Fünftel des Finanzplatzes aus.

Außerdem liefen vor allem kleinere Kunden weg. Ein sehr großer Teil des verwalteten Vermögens (43 Prozent) stamme allerdings von nur einem Prozent der Kunden – sehr wohlhabenden Menschen mit einem Vermögen von über 20 Millionen auf dem Bankkonto. Diese Kunden seien nicht in Luxemburg, um den Fiskus in ihrer Heimat zu hintergehen, zeigte sich Rommes überzeugt. Daher würden diese Kunden jetzt auch nicht flüchten. In Zukunft gelte es, solche Kunden anzulocken. Das heiße jedoch, dass man die Banken komplett umbauen müsse, um Dienstleistungen wie zum Beispiel Family Offices anzubieten.

„Bei der CSSF herrschte Laxheit“

Während der Realist Rommes sich mit dem automatischen Datenaustausch arrangiert, nutzte Lulling die Gelegenheit, ihren Unmut darüber zum Ausdruck zu bringen.

„Was die Steuer auf Sparguthaben angeht, habe ich immer eine Quellensteuer befürwortet. Das hat funktioniert. Wir waren uns wenigstens sicher, dass die Menschen ihre Steuern bezahlen“, so Lulling. „Wir haben in den letzten Wochen im Wirtschafts- und Währungsausschuss bei Diskussionen festgestellt, dass einige Behörden in einigen Ländern nicht fähig sind, die vielen Daten zu verwalten.“

Auf dem Gebiet des Informationsaustauschs sei es die Politik Luxemburgs, auf europäischer Ebene zu bremsen und auf OECD-Ebenen aufs Gas zu drücken, erfuhr man von den beiden Politikern und dem Direktor des Bankenverbandes. Ein Austausch auf OECD-Ebene würde auch Konkurrenten des Luxemburger Finanzplatzes wie Liechtenstein und vielleicht sogar die Schweiz mit einbinden. So könne besser ein „Level Playing Field“ geschaffen werden – die Regeln seien dann für alle Konkurrenten die gleichen.

Was die neue Vorgehensweise bei der Bankenaufsicht angeht, ist Lulling zufrieden: „Ich war immer dafür, dass die EZB das macht. Das sind die einzigen die in der Krise funktioniert haben“, so Lulling. Der Luxemburger Aufsicht CSSF wirft sie Laxheit vor. „Eine Woche, bevor es zu den Problemen bei der Kaupthing kam, habe ich mich bei der CSSF erkundigt und man hat mir gesagt, alles sei in Ordnung“, sagte sie. „Es ist sehr gut, dass so etwas nicht mehr möglich sein wird.“

Weniger zufrieden sind sowohl Lulling als auch Goebbels mit der Richtung, in die sich das Projekt Abwicklungsfonds entwickelt hat. Ein solcher Fonds könnte in Zukunft dazu benutzt werden, in Schieflage geratene Banken abzuwickeln, wenn die EZB in ihrer Rolle als Aufseher dies beschließt. „Ich bin für eine europäische Lösung“, sagte Lulling. Bei einer solchen Lösung würde die Abwicklung einer Bank von den europäischen Partnern gemeinsam getragen werden.

Einige Länder, darunter Deutschland, befürchteten gerade hier aber Einschnitte in ihre Souveränität. Auch Goebbels plädiert für eine europäische Lösung. „Es bleibt nur zu hoffen, dass demnächst eine große deutsche Bank – zum Beispiel die Deutsche Bank – in Schwierigkeiten gerät, damit die Deutschen merken, dass europäische Solidarität auf diesem Gebiet auch für ein großes Land wie Deutschland nicht ohne Nutzen wäre“, sagte Goebbels. Die Deutsche Bank sei ja bereits auf dem besten Weg in diese Richtung, fügte Lulling hinzu.

Warnung vor High Frequency Trading

Goebbels nutzte die Gelegenheit, um erneut vor dem sogenannten High Frequency Trading zu warnen. Dabei handeln Computer blitzschnell eigenständig an den Börsen. Die Order werden binnen Bruchteilen einer Sekunde aufgegeben und oft genug wieder annulliert. In dem Wirrwarr der Informationen könnten sich Menschen nicht mehr zurechtfinden, urteilte Goebbels.

Das Europaparlament habe versucht, durchzusetzen, dass eine Order mindestens 0,5 Sekunden im System verbleiben müsse, so Goebbels, dies sei jedoch von den Staaten, „vor allem den Engländern“, verweigert worden, so der Europaabgeordnete, der in dem superschnellen computergesteuerten Handel bereits den Ursprung der nächsten Finanzkrise vermutet.