Brasilien läßt italienischen Extremisten frei

Brasilien läßt italienischen Extremisten frei
(Reuters)

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Nach der Weigerung Brasiliens, einen wegen Mordes verurteilten Ex-Terroristen nach Italien auszuliefern, droht Rom, vor den Internationalen Strafgerichtshof nach Den Haag zu ziehen.

Zwischen Italien und Brasilien stehen die Zeichen erneut auf Sturm. Mit Enttäuschung und Empörung reagierte Rom am Donnerstag auf Brasílias definitive Entscheidung, den Ex-Terroristen Cesare Battisti nicht nach Italien auszuliefern. Dass der wegen Mordes verurteilte Battisti zudem noch in der Nacht auf freien Fuß gesetzt wurde, dürfte den Streit weiter anheizen.

Brasiliens Oberster Gerichtshof hatte am Mittwochabend (Ortszeit) in Brasília eine Klage Italiens auf Auslieferung des früheren Linksextremisten Battisti abgewiesen und dessen sofortige Haftentlassung angeordnet. Der in Italien wegen mehrfachen Mordes verurteilte Battisti darf damit in Brasilien bleiben. Er verließ um kurz nach Mitternacht (Ortszeit) das Gefängnis in Brasília. „Von jetzt an ist er ein freier Mann“, sagte sein Anwalt Luís Roberto Barroso. Der Italiener saß seit 2007 in Brasilien in Haft.

Juristische Mittel

„Mit größtem Bedauern“ nahm Ministerpräsident Silvio Berlusconi das Urteil zur Kenntnis. „Die gerechtfertigten Erwartungen Italiens und vor allem der Angehörigen der Opfer Battistis“ würden in der Entscheidung des Gerichts nicht berücksichtigt, sagte Berlusconi. „Italien wird sofort jeden möglichen Rechtsweg beschreiten bei den zuständigen Institutionen – vor allem beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, um die Entscheidung rückgängig zu machen“, erklärte ergänzend der italienische Außenminister Franco Frattini.

Vertreter der Hinterbliebenen forderten hingegen einen Boykott der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien sowie eine sofortige Unterbrechung der Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern. „Die Würde Italiens verteidigt man nicht mit einem Florett, sondern mit dem Schwert“, kommentierte Alessandra Mussolini, Mitglied von Berlusconi Regierungspartei PdL (Volk der Freiheit).

Souveräner Akt

Das Gericht bestätigte mit seinem Urteil eine Entscheidung von Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva. Lula hatte am 31. Dezember 2010, seinem letzten Amtstag, eine Überstellung Battistis nach Italien abgelehnt und damit eine diplomatische Krise zwischen beiden Ländern ausgelöst. Die Mehrheit der Richter wertete die letzte Entscheidung, ob Battisti ausgeliefert wird oder nicht, als souveränen Akt der Exekutive. Dies könne nicht von einem Gericht entschieden werden.

2009 hatte sich der Gerichtshof selbst für eine Auslieferung ausgesprochen, das letzte Wort aber explizit dem damaligen Präsidenten Lula überlassen. Der Fall sorgt seit Jahren für erhebliche Verstimmung zwischen Rom und Brasília. Battisti sitzt seit März 2007 in Brasilien in Haft. Er soll als Gründungsmitglied der Gruppe „Bewaffnete Proletarier für den Kommunismus“ Ende der 1970er Jahre an vier Morden in Italien beteiligt gewesen sein.

Jahrelange Flucht

Nach dem Ausbruch aus einem italienischen Gefängnis floh er zunächst nach Mexiko und fand dann im Schutz der sogenannten „Mitterrand-Doktrin“ jahrelang in Frankreich Asyl. Als es dort einen Politikwechsel gab, floh er erneut. 2004 ging Battisti nach Brasilien, wo er drei Jahre später festgenommen wurde. In Italien wurde er in Abwesenheit zur lebenslanger Haft verurteilt. Battisti selbst streitet eine Beteiligung an den Morden ab.