Blutbad in Kairo

Blutbad in Kairo
(AFP)

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Bei der Räumung von zwei Protestlagern der Islamisten in Kairo gab es zahlreiche Tote. Mehr als 100 Menschen sollen getötet worden sein. Es gibt tausende Verletzte.

Bei der gewaltsamen Räumung der Protestcamps von Anhängern des gestürzten ägyptischen Staatschefs Mohammed Mursi in Kairo hat es zahlreiche Tote und Verletzte gegeben. Die Sicherheitskräfte begannen am Mittwochmorgen mit der Räumung, setzten Tränengas ein und zerstörten mit Bulldozern Barrikaden der Demonstranten. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete von mindestens 124 Toten. Die Muslimbrüder sprachen zuletzt von 250 getöteten Demonstranten, was zunächst nicht überprüfbar war.

Entgegen der Ankündigung der Übergangsregierung, die Plätze Rabaa-al-Adawija und Al-Nahda „schrittweise“ zu räumen, rückten die Einsatzkräfte im Morgengrauen auf die Plätze vor, wo tausende Demonstranten seit Wochen gemeinsam mit Frauen und Kindern für Mursis Wiedereinsetzung ins Amt protestierten. Über den Plätzen flogen Hubschrauber, in der Luft hingen Schwaden von Tränengas.

Schusswunden bei den Toten

Ein AFP-Reporter zählte allein auf dem Platz nahe der Rabaa-al-Adawija-Moschee 124 Leichen. Viele der Toten wiesen Schusswunden auf, Frauen und Kinder waren nicht unter den Opfern. Das Innenministerium vermeldete etwa zwei Stunden nach Beginn des Einsatzes, der Al-Nahda-Platz stehe „vollständig unter der Kontrolle“ der Sicherheitskräfte. Polizisten hätten die meisten Zelte auf dem Platz abgerissen. Zuvor waren Frauen und Kinder in Begleitung von Polizisten von dem Platz geführt worden.

Das Innenministerium erklärte zudem, dass zwei Sicherheitskräfte getötet worden seien, nachdem Demonstranten das Feuer auf die Beamten eröffnet hätten. Ein Vertreter der Sicherheitskräfte sagte AFP zudem, dass mit Hilfe von Anwohnern dutzende Demonstranten festgenommen worden seien.

„250 bestätigten Toten“

Ein Vertreter der Muslimbrüder sprach im Internetdienst Twitter von mehr als „250 bestätigten Toten“ und mehr als 5000 verletzten Demonstranten. Der Einsatz sei kein Versuch, die Proteste aufzulösen, sondern ein „blutiger Versuch“, jede oppositionelle Stimme zur Absetzung Mursis zu vernichten, twitterte Gehad al-Haddad von den Muslimbrüdern. Die Bewegung rief die Ägypter auf, auf die Straße zu gehen, um gegen das „Massaker“ zu protestieren.

Der Rabaa-al-Adawija-Platz glich am Vormittag einem Schlachtfeld. Der Boden eines unter einem Zelt errichteten Notlazaretts war blutüberströmt, Ärzte behandelten zahlreiche Verletzte. Einen Mann, der einen Kopfschuss erlitten hatte, aber noch atmete, ließen sie liegen, um sich um Verwundete zu kümmern, die noch gerettet werden konnten.

Die nationale Bahnbehörde erklärte, in und um Kairo alle Züge gestoppt zu haben, um weitere Proteste im Großraum der Hauptstadt zu vermeiden. „Bis auf Weiteres“ seien alle Verbindungen von und nach Kairo unterbrochen, hieß es.
Mursis Anhänger protestieren seit Wochen für dessen Wiedereinsetzung ins Amt. Mursi war am 3. Juli vom Militär entmachtet worden. Er sitzt an einem geheimen Ort in Untersuchungshaft. In den Wochen nach seinem Sturz wurden in Ägypten mehr als 250 Menschen getötet. Die Übergangsregierung hatte Mursis Anhänger mehrfach aufgefordert, ihre Protestcamps zu räumen.

Die ägyptische Polizei hat bei der gewaltsamen Räumung eines Protestlagers von Islamisten in Kairo des Weiteren ein führendes Mitglied der Muslimbruderschaft festgenommen. Ein dpa-Reporter beobachtete, wie der Islamist Mohammed al-Beltagi am Mittwoch von der Polizei aus einem Gebäude in der Nähe der Rabea-al-Adawija-Moschee im Stadtteil Nasr-City geholt wurde. Er hatte zu den Organisatoren der Proteste gehört.

Kritik aus Europa

Die Europäische Union hat angesichts des Vorgehens der ägyptischen Armee gegen Islamisten in Kairo vor weiterer Gewalt im Land gewarnt. „Berichte über Tote und Verletzte sind äußerst beunruhigend“, sagte ein Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton am Mittwoch in Brüssel. „Konfrontation und Gewalt sind kein Weg, um die wichtigen politischen Fragen zu lösen und die derzeitigen Herausforderungen zu bestehen“, sagte er. „Wir wiederholen die EU-Position, dass Gewalt keine Lösung ist und wir fordern alle Seiten zu allergrößter Zurückhaltung auf.“