Betagte Nonne dringt auf Atomgelände vor

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Es war überaus peinlich für die US-Regierung. Eine über 80-jährige Nonne und Friedensaktivistin gelangt auf das Gelände der Top-Lagerstätte für waffenfähiges Uran. Jetzt könnte sie den Rest ihres Lebens hinter Gittern verbringen.

Megan Rice ist eine katholische Nonne in den USA und vor wenigen Tagen 84 Jahr alt geworden. Seit vergangenem Mai sitzt sie hinter Gittern, da wurden sie und zwei Mitangeklagte schuldig gesprochen – wegen „versuchter Verletzung der nationalen Verteidigung“. Einfacher ausgedrückt ist das Sabotage. Am Dienstag (18. Februar) wird ein Bundesrichter in Knoxville (Tennessee) voraussichtlich die Strafe für das Trio verkünden. Für Rice könnte das bedeuten, dass sie den Rest ihres Lebens im Gefängnis verbringen muss. Tausende Menschen aus aller Welt haben sich in Briefen an den Richter für Milde eingesetzt. Aber ob das hilft, ist fraglich.

Rice, Michael Walli (64) und Greg Boertje-Obed (58) sind Friedensaktivisten. Sie waren am 28. Juli 2012 auf das Gelände der US-Atomanlage Y-12 in Oak Ridge vorgedrungen – Amerikas Top-Lagerstätte für waffenfähiges hochangereichertes Uran. Laut Anklage schnitten sich die drei den Weg durch drei Zäune, warfen mit Menschenblut gefüllte Babyflaschen gegen die Außenmauern des Lagerhauses, besprühten sie mit Friedensbotschaften und brachen mit Hämmern ein paar Steine los. Dann ließen sie sich widerstandslos festnehmen.

Peinlich, peinlich

Für die US-Regierung war das mehr als peinlich. Schließlich galt Y-12 als das „Fort Knox des Uran“ – eine Anlage mit allen Sicherheitsschikanen, die im Rahmen des Manhattan-Projekts zum Bau der ersten Atombomben entstand. Dass die Aktivisten auf das Gelände gelangen konnten, zog eine Reihe von Kongressanhörungen und Sicherheitsüberprüfungen nach sich – und trug sicherlich nicht dazu bei, Ankläger und Gericht im Verfahren gegen die Eindringlinge gnädig zu stimmen.

So lehnte der zuständige Richter Amul Thapar es auch ab, die drei Angeklagten nach dem Schuldspruch bis zur Festsetzung des Strafmaßes auf freiem Fuß zu lassen. Seitdem haben Rice, die dem Orden Society of the Holy Child Jesu angehört, und ihre Gefährten die meiste Zeit in einem Bezirksgefängnis in Ocilla (Georgia) verbracht.

„Nur“ sechs bis sieben Jahre Haft

Die Höchststrafe liegt nach US-Medienberichten bei 30 Jahren, aber es rechnet niemand damit, dass Thapar derart weit geht. Die Ankläger haben dem britischen „Guardian“ zufolge für Rice zwischen knapp sechs und gut sieben Jahre Haft beantragt, für die Mitangeklagten noch etwas mehr. Das heißt, Rice könnte bis zum Alter von 91 Jahren hinter Gittern sitzen – wenn sie so lange lebt.

„Die Angeklagten sind ernster Vergehen für schuldig befunden worden“, zitiert die Zeitung „Knoxville News Sentinel“ aus einem Antrag von Bundesanwalt Jeff Theodore an das Gericht. Er verweist unter anderem darauf, dass die Aktion von langer Hand vorbereitet gewesen sei. Und dann: „Sie haben keine Reue (…) gezeigt. Im Gegenteil haben sie in ihren Straftaten geschwelgt und diese dazu benutzt, Publicity für ihr Anliegen zu erzeugen. Indem sie auf das sicherheitsempfindliche Y-12-Gelände vorgedrungen sind und einen höchst öffentlichkeitswirksamen Prozess erhalten haben, ist ihr Ziel erreicht. Jetzt ist es an der Zeit, dass sie den Preis für ihr Verhalten bezahlen.“

Aktivisten waren geständig

Tatsächlich haben die drei Aktivisten, die Ende Januar bereits zur Zahlung von 53 000 Dollar (39 000 Euro) Schadensersatz verurteilt wurden, im Prozess ihre Tat ohne Umschweife zugegeben. Aber sie bezeichneten sich als unschuldig, argumentierten, dass ihre Aktionen symbolisch gewesen seien, nötig, um die öffentliche Aufmerksamkeit auf das „unmoralische“ US-Atomarsenal zu lenken. Die wahren Verbrechen würden in der Atomanlage begangen, zitierte der „Sentinel“ aus den Aussagen der Angeklagten. Außerdem sei es ihnen darauf angekommen zu zeigen, wie lasch die Sicherheitsmaßnahmen in der Anlage seien.

Aber es gibt etwas, was Rice leidtut. „Ich bedauere, dass ich es nicht schon vor 70 Jahren getan habe“, sagte sie während des Prozesses zu ihrem Vorgehen. Und als der „Guardian“ sie kürzlich fragte, ob sie angesichts der drohenden Haftstrafe bei dieser Haltung bleibe, ob die Aktion das alles wirklich wert war, antwortete sie: „Natürlich.“