Beate Zschäpe vor Gericht

Beate Zschäpe vor Gericht
(dpa)

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Es ist ein Prozess, wie ihn Deutschland noch nicht gesehen hat. Mit knapp dreiwöchiger Verzögerung beginnt in München das Verfahren um die monströsen Verbrechen der Terrorgruppe NSU. Die Erwartungen sind hoch.

Anderthalb Jahre nach Auffliegen der rechtsextremen Terrorzelle NSU beginnt heute die juristische Aufarbeitung der beispiellosen Verbrechensserie. Vor dem Oberlandesgericht München müssen sich die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe sowie vier mögliche Helfer des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ verantworten. Das Verfahren vor dem Staatsschutzsenat gilt schon heute als Jahrhundertprozess.

Die Bundesanwaltschaft legt Zschäpe Mittäterschaft an allen Verbrechen der rechtsextremen Terrorgruppe zur Last – darunter neun Morde an Geschäftsleuten türkischer und griechischer Herkunft, der Mord an einer Polizistin und zwei Sprengstoffanschläge. Die 38-Jährige hatte mehr als 13 Jahre lang mit ihren mutmaßlichen Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt unter falschen Identitäten gelebt. Mundlos und Böhnhardt töteten sich im November 2011 selbst, um einer Festnahme zu entgehen.

Großes Medieninteresse

Das Verfahren findet unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt. Rund 80 Angehörige und Opfer treten als Nebenkläger auf. Bei den Angehörigen habe die Terrorserie zu einem erheblichen Verlust des Vertrauens in den Rechtsstaat geführt, sagte die Münchner Anwältin Angelika Lex, die die Witwe eines Opfers vertritt. Der Prozess sei eine „einmalige Chance“, dieses Vertrauen und den Rechtsfrieden wieder herzustellen.

Wie viele Angehörige zum Prozessauftakt erscheinen werden, ist noch unklar. Am Sonntagnachmittag konnten sie sich bei einem Besichtigungstermin im Münchner Strafjustizzentrum ein Bild vom Gerichtssaal machen. Am Sonntagabend hatten sich bereits zahlreiche Journalisten und Fernsehteams vor dem Gebäude eingefunden, auf der Straße davor parkten Fernseh-Übertragungswagen. Auch mehrere türkische Teams waren vor Ort.

Demos zu Prozessbeginn

Die Sicherheitsvorkehrungen rund um das Justizgebäude sind erheblich verstärkt worden. Zum Prozessauftakt sind mehrere Demonstrationen gegen Rassismus und rechte Gewalt angemeldet. Die Veranstalter erwarten insgesamt rund 1000 Teilnehmer. Etwa 500 Polizisten sollen einen störungsfreien Prozessauftakt garantieren.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland erwartet, dass der Prozess mit lebenslangen Freiheitsstrafen zu Ende geht. „Wir hoffen, dass es zu Höchststrafen kommt“, sagte der Vorsitzende Kenan Kolat der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Online). Zudem setze er darauf, dass das Verfahren die Verbindungen der Angeklagten zu den Sicherheitsbehörden offenlege, insbesondere Verquickungen mit dem Verfassungsschutz. „Es reicht nicht, die Beschuldigten zu verurteilen“, sagte Kolat.

Sorge vor Rechtsextremen

Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen verteidigte die Praxis seiner Behörde, über Vertrauensleute in rechtsextremistischen Strukturen Informationen zu gewinnen. „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir ohne V-Leute an die Zentren dieser Zellen nicht herankommen“, sagte Maaßen am Sonntagabend im ARD-„Bericht aus Berlin“.

Zugleich schloss er weitere Attentate von Rechtsextremisten in Deutschland nicht aus. „Was uns große Sorge bereitet sind Einzeltäter, Kleinststrukturen, die sich im Internet zusammentun“, sagte Maaßen. „Auszuschließen ist es nicht, dass es Personen gibt, die Terroranschläge im rechtsextremistischen Bereich begehen. Aber ich denke schon, dass wir eigentlich einen guten Überblick haben und es verhindern könnten.“