Wulff zum Bundespräsidenten gewählt

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Christian Wulff ist der zehnte deutsche Bundespräsident. Der Kandidat von Union und FDP erhielt am Mittwoch in der Bundesversammlung im dritten Wahlgang nach Angaben von Bundestagspräsident Norbert Lammert 625 Stimmen.

Damit erreichte der niedersächsische Ministerpräsident die ihm in den ersten beiden Wahlgängen verwehrte absolute Mehrheit, obwohl in der dritten Runde die einfache Mehrheit genügte.

Für seinen rot-grünen Gegenkandidaten Joachim Gauck votierten 494 Wahlleute. 121 Delegierte enthielten sich der Stimme. Die Kandidatin der Linken, Luc Jochimsen, war zum dritten Wahlgang nicht mehr angetreten.

Ihre Fraktionsspitze hatte Stimmenthaltung empfohlen. Wulff folgt Horst Köhler nach, der am 31. Mai zurückgetreten war. Der 51-Jährige wird am Freitag in einer gemeinsamen Sitzung von Bundestag und Bundesrat vereidigt.

Wulff hat sich viel vorgenommen

Er ist mit 51 Jahren der jüngste Bundespräsident überhaupt. Der CDU-Politiker sieht sich als „Vertreter der mittleren Generation“. Mit ihm zieht erstmals eine moderne Patchworkfamilie mit kleinen Kindern ins Schloss Bellevue ein.

Wulffs neun Vorgänger wurden, von Walter Scheel abgesehen, alle erst im siebten Lebensjahrzehnt Bundespräsident. Groß ist denn auch der Tatendrang, den der Niedersachse im neuen Amt an den Tag legen will.

Wulff hat schon vor seiner Wahl angekündigt, Schloss Bellevue zu einer „Denkfabrik für Deutschland“ zu machen. Unterstützt von klugen Köpfen aus Wissenschaft, Politik und Kunst will er Anstöße zu drängenden Zukunftsfragen geben.

Dazu zählt Wulff die demografischen Herausforderungen, die auf Deutschland zukommen, die Integration von Zuwanderern und nicht zuletzt den „Ausstieg aus der schuldenfinanzierte Krisenbewältigung und damit die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte“.

Die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland möchte er durch bessere Bildung schließen. Für sich persönlich sieht Wulff das neue Staatsamt als „ein ganz großes Abenteuer“.

Er will in seinem Arbeitszimmer im Schloss Bellevue eine Spielecke für seinen zweijährigen Sohn Linus Florian einrichten. Seine Familie will mit ihm nach Berlin ziehen. Linus Florian ist der gemeinsame Sohn der Eheleute.

Den zweiten Sohn Leander Balthasar hat die 36-jährige Bettina Wulff mit in die Ehe gebracht. Christian Wulff hat mit der 16-jährigen Annalena eine Tochter aus erster Ehe. Sie lebt bei ihrer Mutter Christiane Wulff in Osnabrück.

Früh Verantwortung getragen

Als niedersächsischer Ministerpräsident ist Wulff am Mittwoch erst zurückgetreten, als feststand, dass er in der Bundesversammlung die notwendige Mehrheit gefunden hatte. Vorsicht und Verlässlichkeit waren stets die Markenzeichen des am 19. Juni 1959 in Osnabrück geboren CDU-Politikers. Er war nie ein Mann der überraschenden Entschlüsse.

Wulff hatte keine einfache Kindheit und musste früh Verantwortung übernehmen. Das hat ihn geprägt. Seine leiblichen Eltern trennten sich, als er zwei Jahre alt war. Der Stiefvater, mit dem Wulff bis zum 14. Lebensjahr aufwuchs, verließ die Familie, nachdem bei der Mutter multiple Sklerose diagnostiziert worden war. Als Heranwachsender pflegte Wulff die gelähmte Mutter und hatte mit dem Stiefvater um Wohnung und Unterhalt zu streiten.
Zwtl: Seit 1975 CDU-Mitglied

Seine politische Karriere startete Wulff sehr früh. Er trat 1975 als Schüler der CDU bei. Von 1978 bis 1980 führte er als Bundesvorsitzender die Schüler Union an und war dadurch bereits als 19-Jähriger Mitglied des CDU-Bundesvorstandes. Während seines Jurastudium engagierte sich Wulff in der Jungen Union, war deren Landesvorsitzender und Bundesvorstandsmitglied.

Nach dem Jura-Examen zog er in den Rat der Stadt Osnabrück ein, stieg 1989 Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion auf und wurde ein Jahr später als Anwalt in seiner Heimatstadt zugelassen. Als CDU-Nachwuchshoffnung trat Wulff im Alter von 34 Jahren bei der Niedersachsenwahl 1994 gegen den damaligen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder (SPD) als CDU-Spitzenkandidat an. Im gleichen Jahr wurde er CDU-Landeschef, 1998 stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU. Nach eine weitere Wahlniederlage gegen Schröder konnte er 2003 schließlich Sigmar Gabriel besiegen und damit jüngster Ministerpräsidenten der Republik werden. 

Pragmatische Politik in Niedersachsen

Als Regierungschef verschrieb sich Wulff der Sanierung des Landeshaushalt. Niedersachsen verbesserte seine Position unter den Ländern bei Wirtschaftsleistung und Beschäftigung. Bis heute ist er ein Verfechter des dreigliedrigen Schulsystem. Er verbot in Niedersachsen 2003 zunächst sogar die Neugründung von Gesamtschulen.

Wulff vermied es aber als Ministerpräsident, als Scharfmacher aufzutreten. Stattdessen suchte er bald eine repräsentierende, landesväterliche Rolle und machte es der Opposition zunehmend mit einer pragmatischen Politik schwer. Im April berief Wulff mit Sozialministerin Aygül Özkan erstmals eine Frau mit Migrationshintergrund in ein deutsches Kabinett.

Zugleich wurde mit Wissenschaftsministerin Johanna Wanka erstmals eine ostdeutsche Politikerin Ministerin in einem westlichen Bundesland. Ganz weit oben auf den deutschen Popularitätslisten rangierte Wulff in den Jahren 2004 und 2005, als er mit CDU-Chefin Angela Merkel um die nächste Kanzlerkandidatur konkurrierte.

Ein gutes Jahr vor der Bundestagswahl 2009 erklärte er in einem Interview, für das Kanzleramt fehle ihm der „unbedingte Wille zur Macht“, er sei kein „Alphatier“. Mit seiner Berufung zum Kandidaten für das höchste Staatsamt dankte Merkel Wulff auch für seine Loyalität.

(Reuters/apn)