Ungewöhnlichstes Interview des Jahres

Ungewöhnlichstes Interview des Jahres
(AFP/AFP PHOTO/RONALDO SCHEMIDT)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

US-Schauspieler Sean Penn spricht für den "Rolling Stone" mit dem berüchtigten mexikanischen Verbrecher Joaquín "El Chapo" Guzmán über Drogenkriminalität und das Weltgeschehen.

Penns Darstellung des Treffens vom Oktober erschien am Samstag auf der Webseite des Musikmagazins. Es war der Tag nach der Festnahme von Guzmán, der nach seiner spektakulären Flucht aus einem Hochsicherheitsgefängnis sechs Monate lang untergetaucht war. Nach Angaben mexikanischer Fahnder brachte erst Penns Treffen sie auf die entscheidende Spur.
Dabei hatte der auch als linker Aktivist bekannte Schauspieler und Regisseur nach eigenen Angaben höchste Sicherheitsvorkehrungen für die Begegnung mit dem Drogenboss im entlegenen Ort Tamazula im mexikanischen Staat Durango getroffen. Eingefädelt hatte sie demnach die mexikanische Schauspielerin Kate del Castillo, die in einer Rolle als Drogenbossin bekannt wurde.

Guzmán soll die Künstlerin 2012 erstmals kontaktiert haben, nachdem sie dem Verbrecher in einem Tweet geraten hatte, statt mit Drogen „mit Liebe zu handeln“. Nach seiner Festnahme im Februar 2014 wandte sich der Kriminelle erneut an del Castillo, als „Gringos versuchten, seine Geschichte zu erzählen“, wie Penn schrieb.
Der Oscarpreisträger berichtete auch, wie er mit Privatjets und einer siebenstündigen Fahrt auf einem Lastwagen durch Bergdschungel das Versteck des Gesuchten erreichte. Augenbinden hätten sie nicht gehabt, erzählte Penn. Nach ihrer Ankunft hätten sie sieben Stunden mit Guzmán gegessen und getrunken, bis der gegen 04.00 Uhr früh mit seinen Männern abgezogen sei. Penn und seine Begleiter gingen schlafen.

Penn bat Guzmán nach eigenen Worten um ein Foto mit Handschlag, um seinen Redakteuren bei dem Magazin zu beweisen, dass er den Drogenboss tatsächlich traf. Auf dem Sofa gegenüber habe ein M16-Sturmgewehr gelegen.
Bei diesem ersten Treffen habe er Guzmán auch um ein formales Interview eine Woche später gebeten, berichtete Penn weiter. Doch habe er anschließend glaubhafte Informationen erhalten, dass Fahnder der US-Drogenbehörde DEA den Schauspielern auf der Spur gewesen seien. So habe Guzmán statt des Interviews per Video Antworten auf Penns Fragen gegeben und das Band an del Castillo geschickt.

In Armut aufgewachsen

Darin spricht der Drogenboss unter anderem darüber, dass er in Armut aufgewachsen sei und als Kind Orangen, Limonade und Süßigkeiten verkauft habe. Er habe sich um das Vieh seiner Großmutter gekümmert und Holz gehackt. Mit 15 sei er in den Drogenhandel eingestiegen, weil es seine einzige Chance gewesen sei. „Die einzige Art, Geld für Essen zu haben, zu überleben, ist Mohn (und) Marihuana anzubauen. Und in dem Alter habe ich angefangen, es anzubauen, zu kultivieren und zu verkaufen. Das ist alles, was ich Ihnen sagen kann.“
Die Verantwortung für den massenhaften Drogenmissbrauch weltweit streitet der Mann ab, dessen Kartell tonnenweise Rauschgift ins Ausland verschoben und für Hunderte Morde verantwortlich sein soll: „Denn an dem Tag, an dem ich nicht mehr existiere, wird das überhaupt nicht abnehmen“.

Auch die Frage, ob seine Aktivitäten Mexiko prägten, verneint Guzmán. „Drogenschmuggel hängt nicht nur von einer Person ab. Er hängt von vielen Leuten ab.“ Er selbst habe seit 20 Jahren keine Drogen mehr genommen und sei ein Mann, «der keinesfalls nach Problemen sucht“. Penn erinnert ihn an das blutige Ende eines anderen berühmten Drogenbosses, des Kolumbianers Pablo Escobar, und fragt danach, wie er sich sein Ende im Drogenhandel vorstelle. „Ich weiß, dass ich eines Tages sterben werde“, antwortet Guzmán. „Ich hoffe, eines natürlichen Todes.“