/ Tusk bekommt Vertrauen - trotz Abhöraffäre

Der polnische Regierungschef Donald Tusk hat am Mittwochabend das Vertrauensvotum des Parlaments gewonnen. Von 440 anwesenden Sejm-Abgeordneten stimmten 237 für ihn, 203 verweigerten ihm das Vertrauen. Tusk hatte nach der Abhöraffäre um heimlich belauschte Regierungsmitglieder die Vertrauensfrage gestellt.
Neben den Abgeordneten von Tusks liberalkonservativer Bürgerplattform (PO) und seines Koalitionspartners, der Bauernpartei PSL, sprachen auch mehrere fraktionslose Abgeordnete und der Vertreter der deutschen Minderheit der Regierung das Vertrauen aus. Tusks Koalitionsregierung verfügt im Parlament über eine knappe Mehrheit von 235 der 460 Mandate.
Mit Blick auf den bevorstehenden EU-Gipfel hatte Tusk er das Parlamentspräsidium am Mittwoch um eine schnellstmögliche Abstimmung gebeten. Andernfalls könne die Regierung nicht „effizient“ weiterarbeiten, sagte Tusk. Hintergrund ist eine Affäre um illegale Aufzeichnungen von Politikergesprächen, in denen sich unter anderem Außenminister Radoslaw Sikorski abfällig über die USA äußerte. Tusk sagte, die polnische Regierung müsse beim am Donnerstag beginnenden EU-Gipfel in der Lage sein, über wichtige Personalentscheidungen und die künftige Energiepolitik mitzuentscheiden – auch vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise.
Das Nachrichtenmagazin „Wprost“ hatte Mitte Juni den Mitschnitt eines Gesprächs von Innenminister Bartlomiej Sienkiewicz und Zentralbankchef Marek Belka veröffentlicht und damit eine Staatsaffäre ausgelöst. In der Aufzeichnung sind Sienkiewicz und Belka bei einem Gespräch in einem Warschauer Restaurant im Juli 2013 zu hören, bei dem der Notenbankchef als Bedingung für seine Unterstützung der Regierung die Entlassung des damaligen Finanzministers Rostowski forderte. Dieser wurde Ende November tatsächlich entlassen.
Kritik von der Opposition
Die Opposition kritisierte nach der Veröffentlichung der Aufnahme eine illegale Einflussnahme und forderte den Rücktritt der Regierung. Tusk lehnte dies ab und sprach von einem Versuch zum Sturz der Regierung.
Zuletzt schloss er Neuwahlen aber nicht mehr aus, wenn die „Vertrauenskrise“ zu groß sei. Am Sonntag hatte „Wprost“ dann noch Auszüge aus einem weiteren Gespräch veröffentlicht, das Außenminister Sikorski mit dem früheren Finanzminister Jacek Rostowski geführt haben soll. Darin bezeichnet Sikorski das Bündnis mit den USA als „wertlos“ und sogar „schädlich“ für Polen. Dem britischen Premierminister David Cameron wirft er „Inkompetenz“ in der EU-Politik vor.
Zusätzlicher Druck
Durch eine Durchsuchung der Redaktionsräume von „Wprost“ geriet Tusk zusätzlich unter Druck. Die Staatsanwaltschaft hatte am Mittwoch vergangener Woche die Redaktion durchsuchen lassen, um die Gesprächsmitschnitte zu beschlagnahmen. Laut dem Magazin versuchten die Beamten bei dem Einsatz, „gewaltsam“ den Laptop des Chefredakteurs Slawomir Latkowski zu beschlagnahmen.
Polnische Medien spekulierten, die Mitschnitte könnten vom russischen Geheimdienst lanciert worden sein, um Polen inmitten der Ukraine-Krise zu destabilisieren. Polen hat sich in dem Konflikt in dem östlichen Nachbarland mit scharfer Kritik an Russland hervorgetan.
Die Rolle Russlands
Auch Tusk machte am Mittwoch indirekt Russland für die Abhöraffäre verantwortlich. Hintergrund der Affäre seien der „Handel mit Kohle aus dem Osten“ und geplante neue Gasleitungen zur Umgehung der Ukraine. „Ich weiß nicht, in welchem Alphabet das Drehbuch (der Affäre) geschrieben ist, aber ich habe keinen Zweifel daran, wer der Nutznießer sein könnte“, sagte Tusk offenbar mit Blick auf die kyrillische Schrift.
Polnischen Medienberichten zufolge wurde neben einem Kellner und einem Restaurantmanager auch ein polnischer Unternehmer festgenommen, der vor allem im Kohlehandel mit Russland Geschäfte macht. Laut der Zeitung „Gazeta Wyborcza“ könnte hinter der Affäre aber auch ein Erpressungsversuch stecken.
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