Schwedischer Ratsvorsitz will „Bonus-Kultur“ abschaffen

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Am Vorabend des für heute und morgen angesetzten Finanzministertreffens der G20 in London und drei Wochen vor dem Weltfinanzgipfel in Pittsburgh trafen sich die EU-Finanzminister gestern zu einem informellen Mittagessen in Brüssel. Mit dem Ziel, gesündere Praktiken in den internationalen Finanzmärkten durchzusetzen./ Von unsererKorrespondentinMarisandra Ozolins, Brüssel

Trotz einiger positiven Signale, die darauf hinweisen, dass die Talsohle der vor einem Jahr ausgebrochenen weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise überwunden scheint und dass es mit der Konjunktur wieder langsam aufwärts gehen wird, ist die Situation noch lange nicht optimal.
Sowohl der schwedische Finanzminister und EU-Ratspräsident Anders Borg als Wirtschafts- und Währungskommissar Joaquín Almunia verwiesen nach dem Treffen darauf, dass die Märkte noch „fragil“ blieben und dass es vor allem noch große Probleme im Beschäftigungsbereich gebe, mit einer Arbeitslosigkeit, die nach jüngsten Eurostat-Zahlen im Juli auf 9,5 Prozent in der EU angestiegen ist.
Umso unverständlicher, wenn nicht revoltierender, erscheinen in den Augen der gewöhnlichen Bürger und insbesondere der Arbeitslosen die nach wie vor von gewissen Banken und Wertpapierfirmen praktizierten millionenhohen Vergütungen für hochriskante Geschäftsabschlüsse.

„Barrieren nötig“

„Die Banken feiern schon wieder Partys, als wäre es 1999, wir befinden uns aber im Jahr 2009“, monierte Anders Borg bereits zum Auftakt der gestrigen Beratungen.
Danach, vor der Presse, begrüßte er die „sehr konstruktive“ Sitzung. Europa gehe mit einer „entschlossenen Haltung“ in die G20-Verhandlungen von London und Pittsburgh. „Wir müssen die Botschaft vermitteln, dass die alte Bonus-Kultur ein Ende haben muss“, betonte Anders Borg an die Adresse der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer.
Damit unterstützt die schwedische Ratspräsidentschaft nicht nur die EU-Kommission, die sich im Juli für klare Regeln bei der Vergütungspolitik der Banken ausgesprochen hatte, sondern auch die jüngsten Vorstöße Frankreichs und Deutschlands zur Begrenzung der Bonuszahlungen.
Eine Haltung, die auch von Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker geteilt wird, der gestern eine Sitzung der Eurogruppe leitete, sowie vom neuen Finanzminister Luc Frieden, der in dieser Eigenschaft erstmals am Ecofin-Treffen teilnahm.
Der Rat sei sich „prinzipiell“ darüber einig, dass „Barrieren“ nötig seien, um zu verhindern, dass gewisse Vergütungsmechanismen nicht zum Eingehen „übermäßiger Risiken“ sowie zu „hochspekulativen Aktivitäten“ führen, unterstrich Frieden am Rande der Tagung.

„Die Zähne zeigen“

Zwar würde es bei der Regelung der Einzelheiten schwieriger werden als bei den Prinzipien, räumte der Minister ein, der sich insbesondere „interessiert“ zeigte, wie die USA und die Londoner City, das wichtigste europäische Finanzzentrum, auf den Vorstoß der Europäer reagieren werden. Die Amerikaner haben vorerst eine eher reservierte Haltung eingenommen, während der britische Premierminister Gordon Brown sich zwar kürzlich für strengere Regeln für Bonuszahlungen ausgesprochen, jedoch Bonus-Begrenzungen abgelehnt hatte, mit dem Argument, dass dies international schwer durchzusetzen wäre.
Anders Borg verhehlte seinerseits nicht, dass „noch viel Arbeit“ bevorstehe, um die übrigen großen Weltwirtschaften zu überzeugen. Für den schwedischen EU-Ratspräsidenten könne man sich jedoch „nicht mit großen Prinzipien begnügen“.
Europa befinde sich in einer „Position der Stärke gegenüber dem G20“ und müsse jetzt „die Zähne zeigen“, um bessere Regeln bei den Risikogeschäften zu erreichen, betonte er. Für Luc Frieden müsse „alles getan werden, um eine künftige Bankkrise zu vermeiden“. Dazu sei es „wesentlich, dass Europa mit einer Stimme spricht“. 

Juncker: Konjunkturprogramme sollen bis 2010 laufen
Die Konjunktur in Europa hat sich nach der schlimmsten Krise seit Jahrzehnten nach Einschätzung der EU-Finanzminister gefangen.
Die Wirtschaft könne aber vorerst noch nicht vom Tropf der staatlichen Hilfsprogramme abgehängt werden. Der Chef der Euro-Finanzminister, Jean-Claude Juncker, sagte am Mittwoch in Brüssel, die Konjunkturprogramme müssten noch bis zum kommenden Jahr fortgesetzt werden. Dann müsse es eine gemeinsame europäische Strategie geben, die Hilfe wieder abzuziehen.
Diese Diskussion wollen die EU-Länder auch im Kreis der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) beim Weltfinanzgipfel Ende September in Pittsburgh anstoßen.
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Volkswirte rechnen mit einem Ende der Rezession und einer Rückkehr zum Wachstum im laufenden dritten Quartal.
Die milliardenschweren Konjunkturprogramme trugen über staatliche Investitionen und Impulse für die private Nachfrage wie etwa die Abwrackprämie zur Besserung bei.