Schlagabtausch bei erstem Schlichtungsgespräch zu „Stuttgart 21“

Schlagabtausch bei erstem Schlichtungsgespräch zu „Stuttgart 21“

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Zu Beginn der Schlichtungsrunde über das Bahnprojekt "Stuttgart 21" sind sich Gegner und Befürworter mit verhärteten Positionen begegnet. Nach der Eröffnung des Dialogforums am Freitag durch Vermittler Heiner Geißler warb Bahnvorstand Volker Kefer für den Bahnknoten und die Neubaustrecke.

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) wies für die Gegner zahlreiche Argumente als nicht zutreffend zurück. Zentraler Streitpunkt war die Bedeutung des Bahnprojekts für den Güterverkehr.

Kefer warb für einen Durchgangsbahnhof in Stuttgart, der „ein Drittel mehr Leistungsfähigkeit“ gegenüber dem bisherigen Kopfbahnhof biete. Konkret könne dadurch die Kapazität um mehr als 200 Züge pro Tag erhöht werden – bei „gleichzeitiger Halbierung“ der Gleiszahl. Kefer bot zugleich an, sich über Konfliktpunkte wie den Fahrplan oder die Infrastruktur zu unterhalten.

„Stuttgart 21“ ist nach der Darstellung des Bahnvorstandes insbesondere im Wettbewerb mit dem Flug- und Straßenverkehr wichtig, da nur kürzere Fahrzeiten mehr Passagiere auf die Schiene brächten. Man setze durch den „Lückenschluss im Südwesten“ auf einen Zuwachs von zwei Millionen Reisenden pro Jahr, die von der Straße auf die Schiene wechseln. Dies bedeute auch eine „erhebliche Entlastung der Umwelt“.

Palmer entgegnete, das Projekt „Stuttgart 21“ bedeute in Wahrheit eine Schwächung des Schienenverkehrs, denn der bestehende Kopfbahnhof sei schon jetzt leistungsfähiger als der neue Durchgangsbahnhof. Er warb für eine Ertüchtigung des Kopfbahnhofs. Auch der Gegner-Sprecher Gangolf Stocker kritisierte, „Stuttgart 21“ habe Mängel. Dazu zählte er, dass die Zahl der Zulaufgleise verringert werde.

Streitpunkt Güterverkehr

Den ersten Schlagabtausch lieferten sich beide Seiten zum Thema Güterverkehr. Da die Neubaustrecke zwischen Wendlingen und Ulm eine besonders große Steigung überwindet, ist sie nur für sogenannte leichte Güterzüge bis 1.000 Tonnen geeignet.
Die Befürworter von „Stuttgart 21“ argumentieren, dass durch die Verlagerung des Personenverkehrs auf die Neubaustrecke zusätzliche Kapazitäten für Güterzüge auf der alten Strecke entstehen. Die Gegner fordern jedoch, das Geld besser dort zu investieren, wo wirkliche Engpässe bestehen. Kefer betonte, dass „Stuttgart 21“ in erster Linie ein Projekt sei, um den Personenfernverkehr zu verbessern.

Das öffentliche Schlichtungsgespräch ist ein Novum, denn noch nie wurde ein Konflikt um ein Großprojekt auf diese Weise aufgearbeitet. Bereits zum Auftakt des Gesprächs hatte Geißler betont, dass in einer Zeit, in der Menschen innerhalb kürzester Zeit über das Internet mobilisiert und informiert werden könnten, neue Wege beschritten werden müssten. „Das, was wir heute machen ist vielleicht ein Protoyp für später. Dass eben die Regierenden bereit sind, sich mit Bürgerinitiativen an einen Tisch zu setzen und auf Augenhöhe zu diskutieren und nicht von oben nach unten“, sagte der ehemalige CDU-Generalsekretär.
Er ermahnte die Teilnehmer, „streng zur Sache“ zu reden. Es sei nicht sinnvoll, parteipolitische Auseinandersetzungen zu führen. Geißler fügte hinzu: „Wir wollen hier keine Predigten hören und keine Glaubensbekenntnisse.“ Die Zuhörer des von den Fernsehsendern Phoenix und SWR sowie im Internet live übertragenen Gesprächs bat Geißler, sich für neue Argumente zu öffnen.

„Guter Tag für die Demokratie“

Die Schlichtung war nach zähem Ringen erst vor einer Woche zustande gekommen. Bis Ende November wollen Gegner und Befürworter mindestens einmal wöchentlich Argumente austauschen. Bei „Stuttgart 21“ soll der Hauptbahnhof für 4,1 Milliarden Euro von einem Kopf- in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof umgebaut werden.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) nannte den Beginn der Schlichtungsgespräche einen „guten Tag für die Demokratie“. Es gehe nun darum, alle Fakten auf den Tisch zu legen. Zwar könnten vermutlich nicht jene Leute überzeugt werden, die generell gegen „Stuttgart 21“ seien. Ziel sei aber, unbegründete Ängste auszuräumen und die Bürger mitzunehmen.