/ Polens Regierungspartei schwächt Verfassungsgericht
Die rechte polnische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat trotz Warnungen der EU-Kommission das Verfassungsgericht geschwächt. Der nationalkonservative Parteichef Jaroslaw Kaczynski ließ die Einspruchsmöglichkeiten des Verfassungsgerichts gegen Entscheidungen der Regierungsmehrheit im Parlament drastisch einschränken.
Die umstrittene Gesetzesnovelle über das höchste Gericht wurde erst am Dienstag vom Unterhaus des Parlaments gebilligt und im Eiltempo noch in der Nacht auf Donnerstag durch die zweite Parlamentskammer, den Senat, gebracht. Noch am Vortag hatte die EU-Kommission die Regierung vergeblich davor gewarnt, die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts einzuschränken. EU-Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans forderte eine Überprüfung der Gesetzesänderung.
Sobald Präsident Andrzej Duda die Novelle unterzeichnet, tritt sie mit sofortiger Wirkung in Kraft. Die Regelung schaltet nach Ansicht von Kritikern das Verfassungsgericht als Korrektiv zur PiS-Parlamentsmehrheit praktisch aus. Unter anderem ist darin festgelegt, dass künftig eine Zweidrittelmehrheit statt der bisher einfachen Mehrheit der Verfassungsrichter notwendig ist, um Gesetze wegen Verfassungswidrigkeit abzulehnen.
Da die PiS bereits einen Teil der Verfassungsrichter durch eigene Kandidaten ersetzte, kann sie sich auf eine Sperrminorität verlassen, die einen Einspruch gegen ihre Gesetze unmöglich macht. Das Verfassungsgericht in seiner bisherigen Zusammensetzung erklärte die Entscheidung zwar für rechtswidrig, dennoch unterzeichnete Duda die Ernennungen der neuen Richter.
Weitere Fessel für Richter
Wie die Nachrichtenagentur PAP am Donnerstag berichtete, legt das Gesetz den Richtern noch eine weitere Fessel an: Sie müssen die ihnen vorgelegten Fälle künftig streng nach Reihenfolge des Eingangs bei Gericht bearbeiten. Wenn es also bei einem Fall Probleme gibt, könnten solange keine weiteren entschieden werden. Damit könne das Gericht völlig «gelähmt» werden, warnten Justizexperten.
Bei führenden Juristen des Landes rief der Plan der Regierungspartei Entsetzen hervor. Noch während der Senatsdebatte verlangte die Richtervereinigung Iustitia am Mittwochabend von den Abgeordneten, «die Gesetzesnovelle als Ganzes» abzulehnen.
Die liberale frühere Regierungspartei Bürgerplattform (PO) reichte noch am Mittwoch Klage gegen die Gesetzesnovelle ein – beim Verfassungsgericht. An den beiden vergangenen Wochenenden hatten Zehntausende Polen gegen die von ihnen befürchtete «Gefährdung der Demokratie» protestiert.
Kritik von der EU-Kommission
Die EU-Kommission hatte am Mittwoch einen Brandbrief an den polnischen Außenminister Witold Waszczykowski geschickt und um Aufschiebung des Vorhabens gebeten. Die Neuerungen unterbinden nach Einschätzung von Kritikern die Gewaltenteilung in Polen und lähmen das Gericht. Unter anderem ist künftig für Entscheidungen eine Zweidrittel-Mehrheit bei Richterentscheidungen vorgeschrieben und auch die Reihenfolge, in der die Fälle abgearbeitet werden müssen.
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn, dessen Land noch die EU-Ratspräsidentschaft innehat, hatte sich bestürzt geäußert. „Was in Warschau passiert, ist so, als ob man in Deutschland das Bundesverfassungsgericht in Karlruhe mundtot machen wollte“, hatte er Reuters gesagt. „Die Entwicklung in Warschau erinnert leider an den Kurs, den auch diktatorische Regime gegangen sind.“ Die EU-Kommission müsse die polnische Regierung daher Anfang 2016 vorladen und die Vorgänge genau prüfen.
Polen rief dem Außenministerium zufolge nun aber den Europarat an, dem Mitglieder aus 47 Ländern angehören. Das Gremium dient als Forum für Debatten über Menschenrechtsfragen und dessen Bewertungen haben keinerlei rechtliche Bindung. Es ist auch nicht Teil der Europäischen Union.
Die rechtsnationale Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) hat bei der Parlamentswahl im Oktober die absolute Mehrheit gewonnen und baut seither das politische System des Landes um. Präsident Andrzej Duda sagte im aktuellen „Spiegel“ laut Vorab-Bericht, in Polen finde kein Staats-Streich statt. Zwar gebe es einen politischen Streit. „Aber auf keinen Fall ist die Demokratie in Gefahr.“