/ Polens Präsident bei Flugzeugabsturz ums Leben gekommen

(aktualisiert: 13.50 Uhr)
Die Maschine des Präsidenten mit 96 Menschen an Bord sei beim Landeanflug auf den russischen Flughafen Smolensk abgestürzt, teilte der Gouverneur der Region Smolensk am Samstag mit. Es habe keine Überlebenden gegeben. Zum Zeitpunkt des Unglücks lag dichter Nebel über dem Flughafen. Anscheinend war der Pilot Schuld an dem Unglück: Er hatte sich wohl Empfehlungen der Fluglotsen widersetzt.
In Polen löste der Tod des Staatsoberhaupts tiefe Trauer aus. An vielen Orten wurden eilig Trauerfeiern veranstaltet. In Warschau legten Bürger Blumen vor dem Präsidentenpalast ab und zündeten Kerzen an. Kaczynski war auf dem Weg nach Katyn, um der polnischen Opfer des Massakers zu gedenken, das sowjetische Geheimpolizisten 1940 dort an rund 22.000 polnischen Offizieren und Intellektuellen verübt hatten.
An Bord des Flugzeugs waren auch Kaczynskis Frau Maria, der polnische Zentralbankchef Slawomir Skrzypek, Armeechef Franciszek Gagor sowie der stellvertretende Außenminister Andrzej Kremer und andere Politiker. Mit dem Präsidenten flogen nach offiziellen Angaben auch Angehörige von Polen, die bei den Massenmorden in Katyn umgebracht worden waren.
Pilotenfehler Ursache für Absturz
Das Flugzeug vom Typ Tupolew-154 stürzte rund zwei Kilometer vor dem Flughafen in einen Wald und fing Feuer. Rettungsteams hatten noch versucht, Passagiere aus der zerstörten Maschine zu ziehen. Laut dem Gouverneur der Region Smolensk war offenbar der Pilot Schuld an dem Unglück. Einem Mitarbeiter der russischen Flugsicherung zufolge ignorierte der Pilot die Empfehlungen der Fluglotsen.
Wegen des dichten Nebels sei er angewiesen worden, nicht in Smolensk sondern in Moskau oder Minsk zu landen. Er habe sich trotzdem für eine Landung entschieden.
Bei diesem Nebel hätte jedoch niemand landen dürfen, sagte der Mann, der seinen Namen nicht nennen wollte. Der polnische Justizminister Krzysztof Kwiatkowski kündigte bereits an, dass er besondere Ermittlungen anordnen werde. Bis zu Neuwahlen übernimmt automatisch Parlamentspräsident Bronislaw Komorowski die Amtsgeschäfte.
Katyn – offene Wunde der russisch-polnischen Beziehungen
Das Massaker von Katyn war immer ein wunder Punkt in den Beziehungen Russlands und Polens. Die Führung in Moskau hatte jahrzehntelang versucht, Nazi-Deutschland die Schuld an dem Verbrechen von Katyn in die Schuhe zu schieben. Erst nach dem Zerfall der Sowjetunion räumte Russland ein, dass das polnische Offizierskorps dort 1940 auf Befehl von Diktator Josef Stalin erschossen worden war.
Zuvor waren sowjetische Truppen auf der Grundlage des Hitler-Stalin-Paktes in Polen einmarschiert. Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin hatte vergangenen Mittwoch bei einer Gedenkfeier in Katyn für Versöhnung geworben, ohne sich direkt für die Verbrechen zu entschuldigen. Er appellierte an Polen, nicht das ganze russische Volk für die Ereignisse verantwortlich zu machen.
Die historische Wahrheit müsse aufgeklärt werden, sagte Putin. Zugleich müssten beide Völker die Vergangenheit überwinden und nach vorn schauen. Polens Ministerpräsident Donald Tusk sprach sich für eine Aussöhnung auf der Grundlage einer ehrlichen Aufarbeitung der Geschichte aus. Derzeit arbeitet eine gemeinsame Historiker-Kommission an einer Bewertung des Geschehens.
Polens Präsident Kaczynski hatte in einer Rede vor Veteranen im September zum 70. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges einen direkten Zusammenhang zwischen Katyn und dem Völkermord der Nationalsozialisten an den europäischen Juden gezogen.
„Es gibt eine Gemeinsamkeit dieser Verbrechen, obwohl ihr Ausmaß unterschiedlich war: Juden verschwanden, weil sie Juden waren. Polnische Offiziere verschwanden, weil sie polnische Offiziere waren“, sagte Kaczynski, der 2005 ins Amt gekommen war.
Lech Kaczynski wurde am 18. Juni 1949 in Warschau geboren.
Er studierte Jura an der Universität in Warschau. Später promovierte und habilitierte er. – Zu einiger Berühmtheit gelangten Lech Kaczynski und sein Zwillingsbruder Jaroslaw 1962. Beide spielten die Hauptrollen in dem Kinderfilm „Die zwei Monddiebe“.
– Kaczynski war zwischen 1981 und 1982 einige Monate interniert. Er hatte sich in der Solidaritätsbewegung engagiert. – Nach der Wende bekleidete Kaczynski, der der nationalistischen Partei Recht und Gerechtigkeit angehörte, verschiedene politische Ämter. Unter anderem war er Justizminister.
– 2005 wurde Kaczynski zum Präsidenten Polens gewählt.
In einer Stichwahl setzte er sich gegen den heutigen Ministerpräsidenten Donald Tusk durch. Kaczynskis Bruder war von 2006 bis 2007 als Ministerpräsident des Landes. – Kaczynski war bekannt für seine sehr konservativen Einstellungen. Er sprach sich für die Einführung der Todesstrafe und für die Verfolgung von Homosexuellen aus. Öffentlich trat er stets als Korruptionsgegner auf, der nie selbst von seiner Politik profitiert hat. – Kaczynski hatte eine Ehefrau, die ebenfalls bei dem Flugzeugunglück am 10. April 2010 ums Leben kam. Beide hatten zusammen eine Tochter
Reuters
Stichwort: Tupolew Tu-154
Die Tupolew Tu-154 ist ein dreistrahliges Düsenflugzeug, deren Geschichte weit in Sowjetzeiten zurückreicht. Nach wie vor ist die Maschine in Russland und anderen früheren Sowjetrepubliken weit verbreitet und wird vor allem für Mittelstrecken eingesetzt. Zwischen 1968 und 2006 wurden etwa 1.000 Maschinen verschiedener Varianten gebaut.
Die modernste Variante, die Tu-154M, absolvierte Anfang der 80er Jahre den Erstflug. Wichtigste Änderung im Vergleich zu den Vorgängern waren sparsamere, leisere und zuverlässigere Triebwerke, die die Maschine auf eine Reisegeschwindigkeit von maximal 950 Stundenkilometer beschleunigen können.
Das maximale Startgewicht beträgt etwa 100 Tonnen. In dem Flugzeug finden nach Herstellerangaben zwischen 164 und 180 Passagiere Platz. Die typische Reichweite beträgt 4.000 Kilometer. Die jetzt abgestürzte Maschine des polnischen Präsidenten war mindestens 20 Jahre alt.
Die polnische Regierung erwägt seit längerem einen Austausch der Flugzeuge, mit denen die führenden Politiker des Landes fliegen. Bisher fehlte aber das Geld dafür. Laut Aviation Safety Network gab es weltweit 66 Flugzeugunglücke mit Maschinen des Typs Tupolew-154, davon sechs in den vergangenen fünf Jahren. Der in Europa bekannteste Fall ist der Zusammenstoß einer Tupolew von Bashkirian Airlines mit einer Frachtmaschine des Paketdienstes DHL im Jahr 2002 in Überlingen am Bodensee. Dabei kamen alle 69 Insassen ums Leben.
Auch 1997 gab es einen folgenschweren Zusammenstoß. Dabei kollidierte eine Tu-154 der deutschen Luftwaffe über dem Südatlantik mit einer US-Transportmaschine vom Typ C-141 Starlifter. Grund war ein Fehler des Bundeswehr-Piloten. Bei dem Unglück kamen alle 24 Menschen an Bord der Tupolew und neun in der US-Maschine ums Leben. Die meisten verunglückten Maschinen in den vergangenen Jahren waren aber osteuropäische und iranische. Die russische Luftfahrtgesellschaft Aeroflot hat kürzlich ihre TU-154-Flotte außer Dienst gestellt.
apn
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