Physik-Nobelpreis für Maschendraht aus Kohlenstoff

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Der Physik-Nobelpreis geht in diesem Jahr an zwei russischstämmige Forscher für ihre Arbeit mit Graphen - einem Gitter aus Kohlenstoff, gerade ein Atom dick, das zu neuartigen Computerchips und Solarzellen führen könnte.

Andre Geim, niederländischer Staatsbürger, und sein britisch-russischer Kollege Konstantin Novoselov hätten etwas geschafft, das niemand für möglich gehalten habe, erklärte die Schwedische Akademie am Dienstag: Graphen aus Graphit zu isolieren und dann seine Eigenschaften zu erforschen.
Das Preisgeld beträgt zehn Millionen schwedische Kronen, umgerechnet etwa 1,1 Millionen Euro. Graphen ist der Name für ein Gitter aus Kohlenstoffatomen, die in einem Honigwaben-Muster flach wie bei ein Maschendrahtzaun angeordnet sind.

In Graphit – das Material, das in Bleistiften verwendet wird – liegen diese Gitter in Schichten übereinander. Ein Millimeter Graphit besteht aus drei Millionen Lagen Graphen. Geim und Novoselov nutzten bei ihren Versuchen ein Klebeband, um ein wenig Graphit von einem größeren Block abzureißen. Der „Klebeband-Trick“, wie er von der Akademie genannt wurde, wurde dann wiederum auf die abgerissene Schicht angewandt, zehn- bis zwanzigmal. Am Ende hatten die Forscher eine Lage Graphen zur Verfügung.

Akademie: Die meisten Anwendungen bislang Fantasie-Produkte

„Als Material ist es völlig neu“, hieß es in der Mitteilung der Akademie. „Nicht nur das dünnste überhaupt, sondern auch das stärkste.“ Graphen leitet Strom so gut wie Kupfer und Wärme besser als alle anderen bekannten Stoffe. Es ist fast völlig durchsichtig, jedoch gleichzeitig so dicht, dass nicht einmal Helium das Gitter durchdringen kann.
Geim sagte bei einer Pressekonferenz, er habe die Ehre nicht erwartet und werde jetzt versuchen, seine tägliche Routine nicht durcheinanderbringen zu lassen. „Ich habe heute vor, zur Arbeit zu gehen und eine Abhandlung fertigzustellen, die ich diese Woche nicht zu Ende gebracht habe“, sagte er per Telefon. „Ich versuche einfach, mich wie bislang durchzuwursteln.“ Geim (51 Jahre) und Novoselov (36) arbeiten beide an der University of Manchester.

Die Akademie schränkte ein, dass die meisten Anwendungen für Graphen bislang „nur in unserer Fantasie“ existierten: Transistoren, die den heutigen aus Silizium überlegen seien und zu noch effizienteren Computern führen könnten; neue Touch-Bildschirme, Lichtleisten und Solarzellen; Kunststoffe, die nach einer Beimengung von einem Prozent Graphen Strom leiten könnten. Unter der Überschrift „Traumwelten“ spekuliert die Akademie über superstarke Werkstoffe für Flugzeuge, Autos und Satelliten.

In der Begründung der Akademie wurde ausdrücklich auf die spielerische Art der Forscher hingewiesen. Geim wurde auch außerhalb der Physiker-Gemeinde bekannt, als er 1997 einen Frosch in einem starken Magnetfeld zum schweben brachte. Dafür erhielt er im Jahr 2000 den IgNobel-Preis, eine von der Harvard University mitgetragene Auszeichnung für Forschung, die „zuerst zum Lachen und dann zum Nachdenken anregt“. „Ich glaube, ich bin die erste Person, die beide gewonnen hat“, sagte Geim am Dienstag. „Ich bin sehr stolz auf diese Preise.“ Der Physik-Nobelpreis wird seit 1901 verliehen.

Mit den Siegern vom Dienstag haben 186 Männer und zwei Frauen diese Auszeichnung erhalten. Er ging zuletzt 2007 nach Deutschland, an den Forscher Peter Grünberg. Die Auszeichnungen gehen auf den schwedischen Geschäftsmann und Dynamit-Erfinder Alfred Nobel zurück. Er stiftete sein Vermögen, um die größten Errungenschaften für die Menschheit auszuzeichnen. (Hinweis: Die transkribierte Form von Novoselovs Namen lautet „Nowoselow“. Hier wurde die Schreibweise der Akademie übernommen.

Reuters