Neue Strategie gegen den IS

Neue Strategie gegen den IS
(Cliff Owen)

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Der IS gerät militärisch unter Druck. Im Irak und in Syrien muss die Miliz eroberte Gebiete wieder räumen. Umso wichtiger wird die Propaganda mit neuen Anschlägen.

Würzburg, Nizza, Istanbul, Dhaka, Bagdad: Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat in jüngster Zeit wieder die Urheberschaft für viele Anschläge auf verschiedenen Kontinenten für sich beansprucht. Ob das immer die Wahrheit ist, daran gibt es Zweifel. Was aber feststeht: Bei ihrem ursprünglichen Ziel verlieren die Radikal-Islamisten massiv an Boden. Der Aufbau eines islamischen Staates kommt aktuell überhaupt nicht mehr voran.

Im Gegenteil: In Syrien und im Irak musste der IS viele eroberte Städte und Gebiete unter militärischem Druck wieder räumen. Das vor zwei Jahren mit großem Pomp proklamierte „Kalifat“ wurde zuletzt immer kleiner. Die Allianz gegen den IS zeigt Wirkung. In absehbarer Zeit wird auch mit einer Offensive auf die irakische IS-Hochburg Mossul gerechnet.
Befürchtet wird nun jedoch, dass der IS deshalb noch mehr auf spektakuläre Selbstmordattentate fernab der Kampfgebiete setzen wird. Der Terrorexperte Will McCants von der US-Denkfabrik Brookings Institution meint: „Die Attacken anderswo sind ein Indiz dafür, in welch großer Sorge der IS zu Hause ist.“

Ähnlich wie der Konkurrent Al-Kaida entwickelt sich der IS immer mehr zu einem globalen Netzwerk mit vielen Ablegern. Die Dschihad-Ideologie ist mittlerweile rund um den Globus verbreitet. Mit dem ursprünglichen Kalifatsgedanken – dass Muslime zusammenkommen, um ein tugendhaftes Leben führen zu können – hat dies nicht mehr so viel zu tun. Was aber bedeutet die neue Lage für die Anti-IS-Allianz der internationalen Gemeinschaft? Auf Einladung der USA kamen in Washington Vertreter von mehr als 40 Staaten zusammen, um über die Folgen zu beraten – zunächst zu einer Geberkonferenz für den Irak, dann zu einer Strategiedebatte. Die Hoffnung, dass die Terrormiliz bald besiegt sein wird, hat allerdings niemand.

Militärisch unter Druck

Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagt: „Seit der IS militärisch unter Druck geraten ist, haben terroristische Anschläge offenbar stärkeres Gewicht in der Strategie. Dies zu wissen macht die Bekämpfung aber nicht überflüssig oder gar falsch, sondern notwendig.“ US-Außenminister John Kerry zeigte sich überzeugt, dass der IS komplett aus dem Irak und Syrien vertrieben werden kann, wenn die internationale Gemeinschaft zusammenhält. Zugleich mahnte aber auch er: „Niemand sollte so tun, als ob diese schrecklichen Ereignisse – dass sich einer in den Lastwagen setzt und in eine Menschenmenge rast oder rausgeht und um sich schießt – vorbei sein werden, wenn der IS aus Mossul vertrieben ist.“

Trotzdem laufen intensive Vorbereitungen für die Rückeroberung dieser zweitgrößten irakischen Stadt, die der IS im Juni 2014 unter seine Kontrolle gebracht hatte. Nicht nur militärisch: Die Vereinten Nationen befürchten, dass im schlimmsten Fall durch den Kampf um Mossul bis zu 1,5 Millionen Menschen zusätzlich in die Flucht getrieben werden – zusätzlich zu den 3,3 Millionen Vertriebenen, die der Irak jetzt schon hat. Auf der neuesten Geberkonferenz wurden mehr als zwei Milliarden US-Dollar (etwa 1,8 Milliarden Euro) an internationalen Zusagen eingesammelt. Deutschland stellt 160 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung. Damit summiert sich die deutsche Irak-Hilfe auf annähernd eine halbe Milliarde Euro.

Internationale Gemeinschaft

Mit dem Geld sollen zum Beispiel Minen beseitigt, neue Flüchtlingslager gebaut, die Versorgung mit Wasser, Strom und Lebensmitteln gesichert werden. Auf diese Weise soll auch verhindert werden, dass der IS in der leidgeplagten irakischen Bevölkerung nach einem Fall von Mossul neue Anhänger gewinnt. Die Erfahrung lehrt allerdings, dass von den zugesagten Hilfsgeldern der internationalen Gemeinschaft längst nicht alle tatsächlich auch gezahlt werden.
Manche Staaten – Deutschland gehört nicht dazu – haben im Laufe der verschiedenen großen Geberkonferenzen der letzten Jahre eine ziemliche Praxis dabei entwickelt, Versprechen mehrfach zu geben und kein einziges Mal einzuhalten. Die Vereinten Nationen klagen darüber, dass die Hilfsprogramme in Syrien, im Irak und anderswo trotz größter Not chronisch unterfinanziert sind.

Und was in Washington noch auffiel: Die Strategie-Konferenz am Donnerstag war deutlich prominenter besucht als die Geberkonferenz am Mittwoch. Statt eines knappen Dutzends Minister waren es plötzlich mehr als 40. Auch der neue britische Außenminister Boris Johnson war am Donnerstag dabei, zum ersten Mal überhaupt. Steinmeier und er saßen Seite an Seite.