Neuauszählung afghanischer Stimmzettel stockt

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Ursprünglich sollte der neue Präsident Afghanistans schon längst im Amt sein. Doch weil die Überprüfung der Wahl nicht vorankommt, warten die Wähler weiter auf das Ergebnis. Beobachter befürchten Schlimmes.

Die Aufgabe ist nicht einfach: Acht Millionen Stimmen gilt es innerhalb weniger Wochen zu überprüfen, damit Afghanistan am Ende jenen Präsidenten bekommt, der auch tatsächlich die meisten Stimmen erhalten hat.

Seit rund drei Wochen macht sich Mohib, ein Vertreter von Kandidat Abdullah Abdullah, jeden Morgen auf den Weg in ein dunkles, stickiges Kabuler Warenhaus. Dort lagern Tausende von Boxen mit Stimmzetteln, die es auf ihre Echtheit zu überprüfen gilt.

Manipulationsvorwürfe

Seit Wochen schon stehen Vorwürfe der Manipulation im Raum. Werden sie nicht ausgeräumt, könnte am Ende der erste demokratische Übergang bei der Wahl des Staatsoberhauptes scheitern. Westliche Beobachter warnen im schlimmsten Fall vor noch größerer Instabilität oder gar einem Bürgerkrieg in Afghanistan.

Vertreter der beiden Kandidaten der Stichwahl, Abdullah Abdullah und Aschraf Ghani, Mitglieder der Wahlkommission IEC sowie internationale Beobachter und Mitarbeiter der UN ringen nun Tag für Tag um ein repräsentatives – und im besten Fall auch glaubwürdiges – Ergebnis. In mehreren Gruppen zählen sie die abgebenen Stimme aus und suchen nach Anzeichen für Betrug.

Unnachgiebig

Hatte Mohibs Gruppe an einem Tag schon bis zum Mittag vier Boxen geschafft, konnte sie sich einen Tag später gerade mal auf die Stimmen einer einzigen Box verständigen. „Das Team des gegnerischen Kandidaten ist nicht bereit, manipulierte Wahlzettel auszusortieren. Die Prüfung jeder Box aus der (östlichen) Provinz Paktika dauert mehr als vier Stunden“, sagt Mohib der Nachrichtenagentur dpa.

Die Prüfer suchen unter anderem nach Serien von Wahlscheinen, die identische Häkchen tragen – ein Indiz dafür, dass mehrere Zettel von derselben Person abgezeichnet wurden. Ali Dschan, ein Vertreter Ghanis, der in der angefochtenen Auszählung der Stichwahl in Führung lag, hält dagegen: „Sie versuchen, jede Stimme wegzuwerfen. Wir sind besorgt, weil es respektlos gegenüber jenen ist, die trotz der Gefahr wählen gegangen sind.“

Verworrene Lage

Verworrener könnte die Lage kaum sein. Ex-Außenminister Abdullah hatte nach der Stichwahl den Vorwurf des Wahlbetrugs erhoben. Er hatte die erste Wahlrunde am 5. April deutlich gewonnen. Bei der Stichwahl vom 14. Juni lag dann der frühere Finanzminister Ghani überraschend klar vorne. Unter Vermittlung von US-Außenminister John Kerry verständigten sich Abdullah und Ghani auf eine vollständige Neuauszählung der mehr als acht Millionen Stimmen der Stichwahl. Das Ergebnis wollten beide akzeptieren.

Beim jüngsten Besuch Kerrys erklärten sich die beiden Kontrahenten sogar schriftlich zur Bildung einer gemeinsamen Einheitsregierung bereit. Ihre Vertreter tun sich da offensichtlich schwerer. Mitte vergangener Woche führte ein Streit um die Aussortierung mutmaßlich gefälschter Stimmen zu einer Schlägerei zwischen Anhängern beider Politiker. Beschleunigt haben dürfte das den Prozess kaum.

Mehr Prüfer sollen kommen

Nach Angaben der unabhängigen Wahlkommission IEC waren bis Donnerstagmittag gut 4300 Boxen überprüft – von insgesamt 22 800. An der Auszählung arbeiten laut IEC 100 Gruppen mit. Um das Ganze zu beschleunigen, sollen noch einmal 50 weitere hinzukommen, sagte IEC-Sprecher Noor Mohammad Noor der dpa.

Doch die Sorgen und der Unmut werden angesichts des zähen Fortgangs bei der Neuauszählung nicht kleiner. „Ich habe die Nase voll von diesem nicht enden wollenden Wahlprozess“, sagt Hadschi Nabi Dschan, der seinen Lebensunterhalt als Schneider verdient. „Wir wollen einfach, dass es vorbei ist und der neue Präsident die Verantwortung übernimmt, wer auch immer das dann ist.“