Nach dem Ende von Schwarz-Gelb in NRW kann die SPD über den Bundesrat in Berlin wieder mitreden

Nach dem Ende von Schwarz-Gelb in NRW kann die SPD über den Bundesrat in Berlin wieder mitreden

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Für Kanzlerin Angela Merkel war es ein schwarzer Sonntag: Die Mehrheit der schwarz-gelben Koalition ist nach dem Wahldebakel in Nordrhein-Westfalen nicht nur im Düsseldorfer Landtag, sondern auch im Bundesrat dahin.

Egal, ob die CDU stärkste Partei wird, egal ob Jürgen Rüttgers an der Spitze einer neuen Landesregierung steht oder nicht: „Durchregieren“ in Berlin mit Mehrheiten in beiden Häusern wird in Zukunft nicht mehr möglich sein.
„Klar ist die SPD wieder da“, sagte ihr Chef Sigmar Gabriel denn auch freudig in Berlin. Bei wichtigen Reformen wie Steuersenkungen, dem Umbau des Gesundheitssystems oder der Atompolitik können die Sozialdemokraten jetzt wieder mitregieren. Aus der CSU in Bayern kam denn auch gleich das Wort „Allparteienregierung“. Schwarz-Gelb ist bei jeder wichtigen Gesetzentscheidung auf Partner aus den anderen Parteien angewiesen.

Vorläufiger Stopp der Gesundheits-, Steuer- und Atompläne

Noch bis zur Neukonstitution einer nordrhein-westfälischen Regierung verfügen die (noch) sieben schwarz-gelb regierten Länder mit 37 von 69 Stimmen über eine stabile absolute Mehrheit in der Länderkammer. Kippt die Koalition in Nordrhein-Westfalen, sind sechs Sitze verloren. Egal welche Regierung danach in Düsseldorf zustande kommt, in jedem Fall wäre eine der Berliner Oppositionsparteien SPD, Grüne oder Linke beteiligt.
Damit müsste die Bundesregierung künftig stets den Kompromiss mit dem politischen Gegner suchen, um große Reformvorhaben durchzusetzen. Da sich die Landesregierungen im Bundesrat in der Regel enthalten, wenn sie sich in strittigen Fragen nicht einigen können, müssten Union und FDP auf die Grünen zugehen. In der Steuer- und Gesundheitspolitik dürfte das gar nicht so schwer fallen. Der Ausstieg aus dem Atomausstieg dagegen wäre in diesem Fall zunächst einmal gestorben.

 Unterschiedliche Mehrheiten sind eher die Regel

Unterschiedliche Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat sind übrigens eher die Regel. Auch kann diese Konstellation zu vernünftiger Politik führen, wenn beide Seiten nicht stur bleiben. Beispiele gibt es reichlich.
Bundeskanzler Gerhard Schröder, der fast während seiner gesamten Regierungszeit von 1998 bis 2005 mit einer derartigen Konstellation regieren musste, ist es im Jahr 2000 gelungen: Damals konnte er das CDU-geführte Berlin mit finanziellen Zusagen überreden, gegen die Unions-Strategie einer rot-grünen Steuerreform zuzustimmen. Später schaffte es Schröder, die Hartz-IV-Reformen im unionsdominierten Bundesrat durchzusetzen.
Das war aber taktisch gesehen ein Pyrrhus-Sieg. Die damals schwarz-gelbe Opposition spekulierte richtig, dass das im Volk ungeliebte Hartz IV bei der Wahl trotz der „Allparteienkoalition“ Rot-Grün angelastet werden würde.
Bundeskanzler Helmut Kohl dagegen wurde 1998 unter anderem deshalb von Schröder abgelöst, weil er es nicht schaffte, gegen die SPD-dominierte Bundesratsmehrheit eine Steuerreform durchzusetzen. Oskar Lafontaine hatte die SPD-geführten Länder so auf Linie gebracht, dass keines ausbrach. Kohls Kalkül, dass der Wähler diese „Blockadepolitik“ mit einer Wiederwahl von Schwarz-Gelb bestrafen würde, ging grandios daneben.
Eine Steuerentscheidung hatte davor schon Anfang 1992 zu einem heftigen Tauziehen um Länderstimmen und Parteiräson geführt: Das von SPD, FDP und Bündnis 90 regierte Brandenburg und das von einer Großen Koalition geführte Berlin stimmten für das Steuerpaket von Finanzminister Theo Waigel (CSU). Es war vor allem wegen der Erhöhung der Mehrwertsteuer von 14 auf 15 Prozent von der SPD im Bundestag erbittert bekämpft worden. 

Nächste Wahl erst im März 2011

Neu gemischt werden die Karten erst wieder kommendes Jahr. Die nächsten Landtagswahlen finden am 20. und 27. März 2011 in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz statt. Danach könnte alles wieder ganz anders aussehen.