Milliarden-Geschäft bedroht Arten

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Eine Hochzeit ohne Haifischflossensuppe ist in Singapur wie Silvester in Deutschland ohne Berliner. Die Delikatesse gehört dazu. Aber manche Haifischarten werden rar. Bei der Artenschutzkonferenz in Bangkok soll der Handel auf Betreiben der EU reguliert werden.

Shiao Qi hätte gerne ohne Haifischflossensuppe geheiratet. „Ich weiß, dass den lebenden Tieren die Flossen abgetrennt werden, und was das für Konsequenzen hat“, sagt die Singapurerin. „Aber meine Eltern haben darauf bestanden – vor allem, um zu zeigen, dass wir es uns leisten können.“ So kam die dicke Suppe mit dem weißen Flossenscheibchen auf den Tisch.

Früher konnten nur wenige reiche Leute die Delikatesse kaufen. Mit wachsendem Wohlstand wächst aber der Kreis der vermeintlichen Gourmets – mit verheerenden Folgen für die Haie. Nachdem die europäische Lust auf Fischsteaks manche Bestände seit den 50er Jahren schon um 90 Prozent dezimiert habe, sei der wachsende Appetit auf Flossen eine Bedrohung, die manche Arten an den Rand des Aussterbens bringen könne, sagen Wissenschaftler.

Handel soll wenigstens kontrolliert werden

Die EU setzt sich bei der Cites-Artenschutzkonferenz in Bangkok dafür ein, den Handel mit Flossen und Fleisch mehrerer Haifischarten wenigstens unter Kontrolle zu stellen. Dann müssen Länder, die Fanglizenzen ausgeben, wissenschaftlich belegen, dass ihre Quoten die Bestände nicht gefährden. Die Abstimmung unter den Cites-Mitgliedsstaaten wurde für Anfang dieser Woche erwartet.

Nach Berechnungen der Naturschutzunion IUCN kommen jedes Jahr Flossen von rund 38 Millionen Haifischen auf den Tisch. Oft werden die flossenlosen Tiere zurück ins Meer geworfen und verenden dann. Das Geschäft ist lukrativ: Die australische Tierschutzorganisation Marine Conservation Society (AMCS) schätzt, dass jedes Jahr mehrere Milliarden US-Dollar verdient werden. Ein Pfund getrocknete Haifischflosse kann mehr als 300 Dollar (230 Euro) kosten.

Hongkong ist der größte Markt

Hongkong ist mit Abstand der größte Markt. „Dort werden 50 Prozent des gesamten Geschäfts abgewickelt, und der allergrößte Teil der Flossen geht nach China“, sagt Fischereiexpertin Susan Lieberman von der US-Stiftung Pew Trusts in Bangkok. Händler gehen Kritikern dort inzwischen aus dem Weg, in dem sie die abertausend Flossen hoch oben auf den Dächern der Millionenmetropole trocknen.

„Haie werden erst nach mehreren Jahren geschlechtsreif, und produzieren in der Regel jedes Mal nur ein Junges“, sagt Louis Ng, Direktor der Singapurer Tierschutzorganisation Acres. „Diese niedrige Fortpflanzungsrate und die Tatsache, dass immer mehr Haie gejagt werden, bedeuten, dass viele Haiarten nicht schnell genug nachwachsen können, um mit dem wachsenden Haifischflossengeschäft mitzuhalten.“

Ökosystem wankt

Auch das Ökosystem des Meeres gerät ins Wanken. „Haie regulieren als Raubfische nicht nur die Populationen der Tiere, die sie jagen“, sagt Daniel Pauly, Fischereiexperte an der Universität von British Columbia in Kanada. „Wenn beispielsweise Haie aus Küstengewässern vertrieben werden, um Fischern mehr Fang zu ermöglichen, funktioniert das nicht, weil sich dann die Beutetiere der Haie, mittelgroße Raubfische, vermehren, und die wiederum fressen die kleineren Fische, auf die die Fischer aus sind.“

Die Haifischflossenliebhaber zu verteufeln rette den Hai auch nicht, meint der Asienvertreter im Wissenschaftsausschuss der Cites-Konvention, Giam Choo Hoo aus Singapur. Vielmehr landeten Millionen Haie als Beifang in Fischernetzen. Die Flossen oder das Fleisch dieser Fische nicht zu nutzen, sei Verschwendung, meinte er in einem Interview mit der Londoner „Times“. Nach seiner Lesart ist nur eine einzige Haifischart bedroht: «Der Rest ist nicht bedroht und jeder kann davon essen, so viel er will», sagte Giam. Er kämpft dagegen, den Haifischfang zu regulieren. Dem Tierarzt werden immer wieder enge Verbindungen zu Haifischflossenindustrie nachgesagt. Er weigerte sich in dem Interview, solche Verbindungen zu bestätigen oder zu dementieren.