Mexikos aussichtsloser Drogenkrieg

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Wenn Mexiko Schlagzeilen macht, dann meist mit dem blutigen Drogenkrieg. Der Versuch des Staates, die Rauschgiftkartelle militärisch zu besiegen, gilt als weitgehend gescheitert. Ein Schweizer Journalist analysiert die Hintergründe.

Wer dieses Buch liest und noch nie in Mexiko war, wird wohl auch in Zukunft einen Riesenbogen um das Land machen. Von Mord und Folter ist darin die Rede, von abgeschlagenen Köpfen und von Massengräbern, von grausamen Verbrecherorganisationen und von Sicherheitskräften, die ihren Gegnern an Brutalität nicht sehr viel nachstehen. Die Rede ist vom Drogenkrieg in Mexiko mit seinen bis zu 70 000 Toten in den vergangenen sieben Jahren.

Der Schweizer Journalist Sandro Benini, Korrespondent des Züricher „Tages-Anzeigers“, untersucht in seinem Buch „Drogen, Krieg, Mexiko“, wie es zu diesem Blutvergießen vor allem im Norden des Landes kam. Die Wurzeln des Konfliktes reichen in die 1990er Jahre, als Mexiko zum Transitland für kolumbianisches Kokain auf dem Weg in die USA wurde. Die Eskalation der Gewalt, schreibt Benini, gehe aber auf die Entscheidung eines einzigen Mannes zurück: Präsident Felipe Calderón, der Mexiko von Dezember 2006 bis Dezember 2012 regierte.

Präsident sucht Befreiungsschlag

Nach seinem äußerst knappen und von der Opposition nie anerkannten Wahlsieg habe Calderón einen Befreiungsschlag gesucht: einen Erfolg im Kampf gegen das organisierte Verbrechen. Ohne einen sorgfältig vorbereiteten Plan habe er die Streitkräfte in den Kampf gegen die Kartelle geschickt. Dieser Frontalangriff sei aber gescheitert. Die Ausschaltung namhafter Drogenbosse habe zu neuen Verteilungskämpfen und zu mehr statt weniger Gewalt geführt. Gab es 2007 in Mexiko sechs große Kartelle, so seien es 2012 zehn gewesen, schreibt Benini.

Der Autor schildert in seinem lesenswerten Buch die Entwicklung der beiden heute mächtigsten dieser Verbrecherbanden: Das Sinaloa-Kartell, dessen Anführer Joaquín „El Chapo“ Guzmán 2001 aus einem Hochsicherheitsgefängnis entkam und die „Zetas“, hervorgegangen aus ehemaligen Elitesoldaten, die die Seiten gewechselt hatten.

Drogen beeinflussen die Architektur

Er beschreibt auch, wie der Drogenhandel im Norden Mexikos die Kultur prägt, etwa in Form der protzig-kitschigen „Narco-Architektur“ oder der „Narco-Corridos“, volkstümlicher Balladen, in denen die Drogenbosse verherrlicht werden. Benini schafft es sogar, in der Grenzstadt Ciudad Juárez einen Killer der Drogenmafia zu interviewen. Dieser behauptet, 600 Menschen umgebracht zu haben und erzählt, dass ihn einige der Toten nachts von Zeit zu Zeit heimsuchten.

Unter dem neuen Präsidenten Enrique Peña Nieto geht der Drogenkrieg in Mexiko unvermindert weiter. Kurz nach Veröffentlichung des Buches wurde im Juli der Chef der „Zetas“, Miguel Angel Treviño, verhaftet. Neue blutige Verteilungskämpfe scheinen die Folge.

Militärische Gewalt bringt nichts

Benino sieht die Strategie militärischer Gewalt gescheitert. Er plädiert, wie eine Reihe namhafter Intellektueller und ehemaliger lateinamerikanischer Spitzenpolitiker, für eine Legalisierung der Drogen, um den Kartellen die Geschäftsgrundlage zu nehmen. Ob die Banden damit wirklich am Ende wären, bleibt die Frage. Denn Gruppen wie die «Zetas» verdienen ihr Geld längst auch mit Entführungen, Menschenhandel und Schutzgelderpressungen.

Der Titel dieses Buches über den Drogenkrieg – „Drogen, Krieg, Mexiko“ – setzt die drei Begriffe quasi synonym. Dabei deutet der Autor durchaus an, dass es viele Gegenden in Mexiko gibt, in denen der Drogenkrieg nur in den Medien stattfindet. Dass sich beispielsweise Sicherheitslage und Lebensqualität in der Hauptstadt Mexiko-Stadt in den vergangenen Jahren verbessert haben, kann aber nicht Thema dieses Buches sein. Nicht zu rechtfertigen und vom Text auch nicht gestützt ist der vom Verlag gewählte Untertitel „Der gefährlichste Ort der Welt“. Das ist Mexiko ganz sicher nicht.