Mehr Macht für Erdogan

Mehr Macht für Erdogan
(Sebastian Silva/dpa)

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Schon jetzt ist Präsident Erdogan der mächtigste Politiker der Türkei - was die Verfassung so eigentlich nicht vorsieht. Erdogans AKP will die Verfassung endlich der Realität anpassen. Sie drückt aufs Gas.

Die Regierungspartei AKP will einen Entwurf für eine Verfassungsänderung zur Ausweitung der Macht von Präsident Recep Tayyip Erdogan in der nächsten Woche ins Parlament einbringen. „So Gott will, werden wir unseren Vorschlag zur Verfassungsänderung kommende Woche dem Parlament vorstellen“, sagte Ministerpräsident und AKP-Chef Binali Yildirim am Donnerstag in Ankara. Sollten die Abgeordneten dem Vorschlag zur Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei zustimmen, könne es binnen 60 Tagen zu einem Referendum kommen. Damit sei dann „Anfang des Sommers“ zu rechnen.

Staatschef Erdogan strebt ein Präsidialsystem mit sich selber an der Spitze an. Seit seinem Amtsantritt im August 2014 bestimmt Erdogan den Kurs der Regierung und der AKP, obwohl diese Rollen in der Verfassung eigentlich dem Ministerpräsidenten und Parteichef vorbehalten sind. Mit der Verfassungsänderung soll Erdogans Führung legalisiert werden. Yildirim äußerte sich nach einem Treffen mit dem Chef der ultranationalistischen MHP, Devlet Bahceli. Bahceli hat Unterstützung für die Verfassungsänderung signalisiert.

Warnung vor Diktatur

Yildirim sagte, wichtigster Punkt der geplanten Verfassungsänderung sei, dass der Präsident künftig einer Partei angehören dürfe. Der Vorschlag werde von der AKP eingebracht, sei aber mit der MHP abgestimmt. AKP und MHP haben gemeinsam 357 Sitze. 330 Stimmen sind nötig, um ein Referendum in die Wege zu leiten. Mit einer Zweidrittelmehrheit (367 Sitze) wäre eine Verfassungsänderung auch ohne Referendum möglich. Yildirim und Erdogan haben aber angekündigt, in jedem Fall das Volk abstimmen zu lassen.

Die beiden größten Oppositionsparteien – die Mitte-Links-Partei CHP und die pro-kurdische HDP – lehnen ein Präsidialsystem unter Erdogan vehement ab. Sie warnen vor einer „Diktatur“ in der Türkei. Auch in der EU wird Erdogans Machtzuwachs mit Sorge beobachtet.

Nicht Gast, sondern Gastgeber

Erdogan warnte die EU am Donnerstag vor einer Ausgrenzung seines Landes. „Wir sind seit mehr als 650 Jahren ohne Unterbrechung mit unserem Staat, unserer Kultur und unserer Zivilisation in Europa präsent und werden auch weiterhin präsent sein“, sagte er in Ankara. Angesichts von fünf Millionen Türken in EU-Ländern hätten weder die EU-Institutionen noch die Mitgliedstaaten die Macht, die Türkei auszugrenzen. „In Europa sind wir nicht Gast, sondern Gastgeber.“

Die Türkei sei bereit, „gleich morgen Vollmitglied in der Europäischen Union zu werden“, sagte Erdogan. Voraussetzung sei, dass die EU „die sinnlose Feindschaft und Doppelmoral gegenüber unserem Land“ ablege. Wenn die EU auf Ankara zugehe, „dann werden sicherlich auch wir unseren guten Willen zeigen. Aber die Zeit der einseitigen Schritte ist nun vorbei.“ Erdogan warf der EU vor, Visumfreiheit „zwar versprochen, aber absichtlich nicht gehalten“ zu haben. Europa laufe Gefahr, „der rassistischen Krankheit“ zu verfallen.