Massen-Schwächeanfall wegen Hunger?

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Hunderte von Arbeitern in einer Puma-Zulieferfirma in Kambodscha erlitten Schwächeanfälle. Möglicher Grund: Die Leute verdienen zu wenig, um genügend Essen kaufen zu können.

Am vergangenen Wochenende spielten sich in kambodschanischen Textilfabriken tragische Szenen ab: 800 Textilarbeiter erlitten in der Hauptstadt Phnom Penh Schwächeanfälle. In zwei Fabriken klagten Näher über plötzliche Übelkeit und Benommenheit, berichteten Arbeitnehmervertreter. Bei einem der besagten Betriebe handelt es sich um einen Zulieferer des deutschen Sportartikelherstellers Puma.

Puma
Puma gehört zu den ganz Grossen in der Bekleidungsindustrie. Das Unternehmen ist Mitglied der amerikanischen Verifizierungsstelle «Fair Labour Association» (FLA). Die FLA schreibt jedoch eine Bezahlung eines existenzsichernden Lohnes nicht vor — im Gegensatz zur vergleichbaren europäischen Verifizierungsstelle «Fair Wear Foundation». «Insofern orientiert sich PUMA an den gesetzlichen Mindestlöhnen, die jedoch in allen asiatischen Produktionsländern viel zu tief sind», so Christa Luginbühl von der Erklärung von Bern. Wichtig sei deshalb, dass Puma jetzt eine Aufklärung der Vorfälle durchführe und zusammen mit dem Zulieferer Massnahmen treffe.

Es ist zwar nicht auszuschliessen, dass Chemikalien der Auslöser für den aktuellen Fall sind. Aber dass sich die Leute schlicht zu wenig Essen leisten können und deshalb auf die prekären Arbeitsbedingungen in den stickig-heissen Fabriken anfällig sind, ist eine plausible Erklärung.

Exzessive Überstunden in der Textilproduktion in Kambodscha sind an der Tagesordnung. Schon im letzten August sind eine Reihe solcher Massen-Schwächeanfälle aufgetreten. Der Auslöser war damals mangelnde Ernährung gewesen.

Tanz oder kein Tanz?

Die offizielle Erklärung eines Vertreters des Arbeitsministeriums lautet: Die Näher hätten zu wenig geschlafen und deshalb Schwächeanfälle erlitten. Denn sie hätten sich an den Vorabenden auf Tanzdarbietungen im Rahmen des anstehenden Khmer Neujahrsfests vorbereitet, dem größten Feiertag in Kambodscha. Das Fest dauert von Donnerstag und bis Samstag.

Reicht das Essen nicht?

„Es könnte sein, dass die Arbeiter übermüdet waren. Wir werden uns auch die Arbeitsbedingungen und die Belüftung ansehen“, sagt der Polizeichef der Hauptstadt Phnom Penh gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Luginbühl vermutet hingegen: „Die mangelhafte Ernährung steht in direktem Zusammenhang mit dem Lohnniveau.“

Im Herbst 2010 gab es eine Reihe von Streiks, mit denen Arbeiter das Heraufsetzen des Mindestlohns forderten. Der Mindestlohn wurde mittlerweile bis 2014 auf monatlich 61 Dollar festgesetzt.Doch Berechnungen zeigen, dass die Leute bereits heute mindestens 93 Dollar im Monat verdienen müssten, um ihre Ausgaben einigermassen decken zu können. Die Inflationsrate im Südostasiatischen Land beträgt dieses Jahr 7,7 Prozent und wird bis 2014 jährlich bei mindestens 3 bis 4 Prozent liegen.

Von China nach Kambodscha

War China früher noch das Mekka der Textilindustrie, setzten sich Arbeiter dort erfolgreich für bessere Arbeitsbedingungen und angemessene Mindestlöhne ein. So verlagern immer mehr Textil-Unternehmen ihre Produktion in Länder wie Kambodscha, Vietnam oder Bangladesch.